So langsam wird es für NFL-Legende Bill Belichick bei den New England Patriots ungemütlich. Credit: Imago Images / USA TODAY Network / Brian Fluharty

Mac Jones und Bill Belichick sollen sich verkracht haben, hinter verschlossenen Türen brodelt es bei den New England Patriots. Aber tut es das wirklich? Oder müssen die einstigen Seriensieger aus den Tagen von Tom Brady sich einfach nur mit dem Leben im NFL-Mittelmaß vertraut machen?

25 Siege, 25 Niederlagen.

Das ist die Bilanz der New England Patriots aus den letzten drei NFL-Jahren. Nicht besonders, aber eben auch nicht wirklich schlimm, oder? Letztendlich ist es die Definition von Mittelmaß, von langweiligem Durchschnitt. Es ist ein Label, für das sich so manch junges Team im Wiederaufbau vielleicht bedanken könnte oder auch ein Umstand, der bei einigen Franchises nicht direkt Panikattacken auslösen würde. In New England ist das aufgrund ihrer jüngeren Vergangenheit natürlich ein klein wenig anders, denn der ganze schöne Schein der sechs Super-Bowl-Trophäen aus den letzten 20 Jahren ließ schließlich leicht vergessen, wie grauer NFL-Alltag für viele andere aussieht.

Haussegen der New England Patriots hängt schief

Jetzt finden sich die Patriots aber genau in jenem wieder – mit all seinen kleinen Problemen und Querelen. Wenn Erfolge ausbleiben und man eine unspektakuläre wie letztendlich extrem enttäuschende 8-9-Saison einfährt, dann hagelt es schon einmal Kritik. An Entscheidungen, am Aufbau des Teams, an der Performance aller Beteiligten. Und es tauchen Gerüchte und Geschichten auf wie jene, die jüngst als Rauchzeichen über Foxborough aufstiegen. Mac Jones mosert über die Offense, Bill Belichick darüber, dass sein Quarterback sich fremde Hilfe holt, beide können nicht mehr miteinander, der Haussegen hängt eh schon seit längerer Zeit schief und alle diese anderen kleinen Anekdoten, über die sich wunderbar in NFL-Offseason-Talkshows fabulieren und ein Klick-Gewitter konstruieren lässt.

Wenn alles auch nur halb so schlimm wäre, wie es manche Quelle die Öffentlichkeit gerne glauben lassen würde, dann würde Bill Belichick sicherlich nicht mit Mac Jones in die kommende Saison gehen. Denn, man erinnere sich, so wirklich der Typ für Kompromisse ist die legendäre Kapuzenjacke nun wirklich nicht. Er ist aber ebenso die Art Trainer, die über lange Zeit öffentliche Spekulationen wie die jetzigen niemals in einer derartigen Weise hochkochen lassen würde, bis es der eigenen Mannschaft schadet. Ob es das nun wirklich tut wird man erst nach Woche Eins der kommenden NFL-Saison sehen. Gut für das eh schon angeschlagene Selbstvertrauen von Mac Jones, der in seinem zweiten Jahr eine ziemliche Bauchlandung nach verdammt solider Rookie-Saison hinlegte, ist es aber sicherlich nicht. Und damit könnte es tatsächlich auf ein zerschnittenes Tischtuch hindeuten.

Ohne Tom Brady treten New Englands Probleme zutage

So oder so lässt sich eine einfache Korrelation zwischen neuer Realität und neuen Problemen herstellen. Wann musste man sich in New England jemals tiefgründige Gedanken über die Psyche des eigenen Quarterbacks machen? Also nach sagen wir 2002 oder so? Genau, nicht wirklich oft, ein kleines Matt-Cassell-Stelldichein mal ausgenommen. Wann war es wirklich von entscheidender Wichtigkeit, wer an der Seitenlinie die Plays ausgibt oder dem Signal Caller erzählt, wie er denn zu spielen hat? Fakt ist, Tom Brady hat etliche Fehler und Schwierigkeiten im Hintergrund ausgebügelt. Er hat es natürlich als Teil eines Gesamtkonstrukts und in Kombination mit Bill Belichicks System gemacht, aber ein personenbezogener Effekt ist in keiner Weise zu leugnen.

Ohne diesen fallen nun Fehler, wie zum Beispiel einen ehemaligen Defensive Coordinator und gescheiterten Head Coach zum De Facto Offensive Coordinator zu machen, viel mehr ins Gewicht als früher. Ganz besonders, wenn der aktuelle Quarterback einer ist, der bekanntermaßen eher von seinem Umfeld getragen werden muss, anstatt selber sich ans Steuer des rot-blauen Busses zu setzen. Gleichermaßen werden jegliche Entscheidungen beim Players Only Grillen sicherlich kontroverser diskutiert als das früher der Fall war, wo man sich mehr Gedanken darüber machen musste, für welche Playoff-Destination man der Familie denn mal Tickets besorgen könnte.

Bill Belichick und Patriot Way auf dem Prüfstand

Zur damaligen Zeit hatte Bill Belichick ein ganz einfaches Rezept gegen jegliche Spekulationen oder angedichtete Probleme. Im Stile der berühmten japanischen Affen wollte er nichts hören, nichts sehen und schon gar nichts dazu sagen. Das anschließende Spiel war fast immer Statement genug. Das ist es jetzt eben nicht mehr der Fall und somit stellen sich auch ganz neue Anforderungen sportlicher wie zwischenmenschlicher Natur. Das System der Patriots hat sich über viele Jahre bewährt, aber ihr "Evil Empire" ist längst nicht gegen einen fast natürlichen Weg großer Imperien gefeit, welche unweigerlich immer an den Punkt ihres eigenen Niedergangs kommen. Die Gründe sind vielschichtig, äußern sich aber nicht selten in dem Glauben an die eigene Unfehlbarkeit, dem falschen Festhalten an längst überdauerten Strukturen, dem überstürzten Aushöhlen wichtiger Grundlagen und dem damit einhergehenden Verlust des eigenen Selbstbildes, welches nicht zuletzt aufgrund ausbleibendem Erfolg Risse bekommt.

Letzterem Umstand versuchen sich die Patriots nun schon seit drei langen Jahren mit aller Vehemenz zu erwehren, die Resultate sind aber eher überschaubar. Bill Belichick, der geniale Head Coach, hat alle Hände und oftmals sogar zu viel damit zu tun, die Fehleinschätzungen von Bill Belichick, dem General Manager, auszubügeln. Dass man trotzdem in den letzten zwei Jahren noch einmal in den Playoffs stand und auch 2022 eigentlich lange Zeit von der Postseason träumen konnte, ist ein Testament für alles, was man lange und immer noch in New England richtig macht. 25 Siege und 25 Niederlagen sind aber gleichermaßen eine Erinnerung daran, dass es derzeit zu mehr als Mittelmaß nicht reicht. Damit es das wieder tut müssen sich Bill Belichick und auch der viel gerühmte "Patriot Way" in 2023 wieder komplett neu beweisen, ganz egal mit welchem Quarterback. Und auch das kannte man in New England eigentlich ganz lange nicht.

Über den/die Autor/in
Moritz Wollert
Moritz Wollert
Moritz Wollert schreibt für TOUCHDOWN24 u.a. über die NFL. Für das monatliche Print-Magazin schreibt er u.a. die NFL History Artikel

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