Es ist endlich soweit: Der NFL Draft 2024 steht unmittelbar bevor. Tage, Wochen und Monate der Vorbereitung und des Vorgeplänkels finden ihr Ende, jetzt zählt es wirklich für alle 32 Teams. Bis man „The Pick is in“ zu lesen bekommt, kann aber noch eine ganze Menge passieren!
George W. Bush, seines Zeichens ehemaliger Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, war nie wirklich ein großes Redner. Dennoch schaffte er es mit einem ganz eigenen verbalen Charme die Leute zum Lachen zu bringen – mit ihm und über ihn. Der Begriff „Bushism“ prägte sich bald für die von ihm mit ordentlich texanischem Lokalkolorit und sprachlichen Freizügigkeiten versehenen Sprüche, die mehr oder minder dahingestolpert wurden, letztendlich aber meistens doch ihren Punkt machten. Einer der berühmtesten stammt aus dem Jahr 2002: “There's an old saying in Tennessee—I know it's in Texas, probably in Tennessee—that says, 'Fool me once, shame on...shame on you. Fool me—you can't get fooled again.” Way to go, Commander in Chief!
Zum NFL Draft 2024 brodelt erneut die Gerüchteküche
Das es eigentlich “Fool me once, shame on you, fool me twice, shame on me” heißen muss sei einmal dahingestellt, Bushs Worte sind irgendwie doch viel passender. Und wenn man eine lange Brücke schlagen möchte so haben sie in ihrem Kern eine profunde Bedeutung für den vom 25. bis 27. April stattfindenden NFL Draft 2024. Denn bei der alljährlichen Talentlotterie der National Football League ist es längst zum Usus geworden, dass alle daran aktiv wie passiv Beteiligten von Managern über Medienvertreter bis hin zu Fans ständig auf die gleichen Dinge hereinfallen. Explizit sei hier auch die Eigenerfahrung gewisser Autoren erwähnt.
Die Liste derer Schwindel ist lang: Das heiße Prospect, was auf wundersame Weise erst kurz vor dem NFL Draft durch die Decke geht, die Insider-Informationen, dass ein bestimmter Coach beim Combine eine Sekunde länger gelächelt hat, als er den 40 Yard Dash eines angehenden Rookies gesehen hat, oder auch der imminente Bericht, dass Team A mit Team B und Team C was ganz Besonderes namens D vorhat. Zu letzterem hatte der neue Raiders General Manager Tom Telesco einen passenden Spruch parat: „Newsflash, ein GM sagt, dass er eventuell hochtraden, runtergehen oder auf seinem Pick bleiben möchte.“ Und trotzdem dreht die ganze Welt durch, wenn eine ähnlich klingende Nachricht über den NFL Ticker läuft. Ob Telesco nach zehn eher dürftigen Jahren als Chargers GM derjenige sein sollte, der mit Ironie um sich schmeißt, ist geschenkt – im Sinne von George W. ist Komik immer willkommen.
NFL Draft 2024 stellt Scouting auf den Prüfstand
Andernfalls ließen sich einige der Draft Blunder vergangener Jahre und Jahrzehnte wohl auch nur schwer ertragen. Diesen Luxus haben hochbezahlte Coaches und General Manager in der Realität natürlich eher selten, von ihren Entscheidungen hängen oftmals das mittelfristige Schicksal einer gesamten Franchise und damit auch ihr persönliches ab. Da erstaunt vor allem die Tatsache, dass trotz der enormen Wichtigkeit und der immer größer werdenden Schar von NFL Scouts die vermeintliche Wissenschaft der Talentsichtung selbst in einem Milliardengeschäft wie der NFL immer noch extrem ungenau bleibt. Man denke an den viel gehypten Quarterback-Draft 2021, vor dem man sich in Statements suhlen konnte, welche den fünf Signal Callern der ersten Runde eine große Zukunft prophezeiten. Das Ende vom Lied lautet, dass selbst „generational prospect“ und „sure bet“ Trevor Lawrence den Vorschusslorbeeren noch nicht ganz gerecht werden konnte – was auch schwierig ist, wenn man als die footballerische Neuerscheinung eines Jungen aus Nazareth gepriesen wird.
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Es wird interessant sein zu beobachten, inwiefern die NFL sich hier emanzipiert und ihren Draft-Prozess insgesamt weiterentwickelt. Künstliche Intelligenz oder andere Hilfsmittel liefern schon jetzt erste Ansätze und so manch spannendes Gedankenspiel, zum Beispiel die Simulation von Spielsituationen und gleichzeitige Überwachung der Augen eines Quarterbacks. Bis es damit flächendeckend soweit ist, hängt man weiter an altbackenen Methoden wie dem Wonderlic Test oder so manch anderem aussageleeren Drill beim alljährlichen NFL Combine fest. Gleichzeitig ist es natürlich schön, dass der Draft und das Scouting in sich so komplett unvorhersehbar bleiben. Es gibt dem großen Ganzen NFL eine menschliche Komponente, genau diese ist es, die man auch bei Prospects niemals einhundertprozentig wird bestimmen können. Menschen bleiben eben doch Menschen – mit all ihren undurchdringlichen Fehlern.
NFL Draft Berichterstattung wird zur Content-Lawine
Einer dieser Fehler ist zum Draft zeitweise die Gier, eine förmliche Sucht nach Content. Es ist einerseits verwunderlich andererseits vollkommen verständlich, wie die Informationsindustrie bezüglich des NFL Drafts jedes Jahr auf ungeahnte Hochtouren schaltet, sich mit „Breaking News“ immer wieder selbst nährt und vielerorts eigentlich nur ein gigantisches Gerüst aus Spekulation baut. Ein spannendes, interessantes, aufregendes, letztendlich aber immer noch eins mit einem wackeligen Fundament. Denn so sicher sich ein Mel Kiper oder irgendwer anderes auch sein mag, am Ende vom Tag müsste eigentlich immer ein von Demut geliebter antiker Satz stehen: „Ich weiß, dass ich nichts weiß.“ Oder zumindest nicht so viel, wie man es anderen zu suggerieren versucht.
Vor jenem Hintergrund lassen sich viele Schlagzeilen in diesen Tagen sicherlich gut einordnen, die simple Frage nach dem Nutzen eines Gerüchts wirkt auch manchmal heilsam. Und wenn etwas noch so schön und klar und eindeutig erscheint, einfach mal an Namen wie Zach Wilson, Solomon Thomas, Justin Gilbert oder Luke Joeckel erinnern. Johnny Manziel oder Paxton Lynch anyone? Das sollte dem Blutdruck und dem eigenen Gewissen eigentlich immer gut tun. Und immer dran denken, wen man zwei Mal veräppelt wird...