Ausgelassene Stimmung am Sonntag im Volksparkstadion. Imago Images / Lobeca / Andreas Hannig

Es war der lang ersehnte erste Auftritt der Hamburg Sea Devils im Volksparkstadion seit Gründung der European League of Football. Vor offiziellen 32.500 Fans gewannen zwar die Gäste von Rhein Fire mit 27 zu 22. Doch das Resultat wird am Ende vom besonderen Charakter dieses Spitzenspiels überlagert. Es wird derzeit eine Begeisterung ausgelöst, die dem Football in Deutschland einen großen Zuspruch beschert.  

Wer die Entwicklung des Footballs in Deutschland während der letzten 15 Jahre aufmerksam verfolgt hat, dem musste beim Betreten des Hamburger Volksparkstadions eine Gänsehaut über die Arme gefahren sein. Eine solche Atmosphäre gab es hier zuletzt in der NFL Europe. Noch nie konnte bis zum heutigen Tag eine aus überwiegend europäischen Footballspielern bestehende Liga einen solch hohen Zuschauerzuspruch auslösen. Und die Fans auf den Rängen wurden nicht enttäuscht. 

Bereits auf der Power Party präsentierten sich viele unterschiedliche Projekte, der vermeintlichen Randsportart. So hatten alle Hamburger Footballvereine einen Infostand auf dem großen Platz vor der Osttribüne, der sonst als VIP-Parkplatz dient. Auch die Rugby-Nationalmannschaft war vor Ort und es wurde viel über den kontaktlosen und weniger physischen Flag-Football informiert. Diese Sportart soll den Weg des American Footballs in den Breitensport ebnen.

Deutsches Urgestein Patrick Poetsch sorgt für ersten Touchdown

Im Volksparkstadion füllten sich die Ränge aufgrund der informativen “Football-Messe” auch erst kurz vor dem Kickoff zur Nationalhymne. Dann ging es aber zügig los. Zunächst war das Spiel auf beiden Seiten von Fehlern im Angriff gesäumt. Sowohl der Offense von Rhein Fire, als auch dem Angriff der Sea Devils war eine gewisse Nervosität zu Beginn dieser aufregenden Partie durchaus anzumerken. Beide Drives landeten in den Armen der gegnerischen Verteidigung. 

Doch zur Hälfte des ersten Quarters gelang Rhein Fire der erste Touchdown. Der US-Amerikaner Jadrian Clark warf einen kurzen Pass in die Endzone auf Fullback Patrick Poetsch. Der erste Score steht damit sinnbildlich für den deutschen Football der letzten Jahre. Clark spielte nach seiner College-Zeit die ersten Jahre in der German Football League ehe er sich nach einem Ausflug in die Austrian Football League der neuformierten ELF anschloss. Patrick Poetsch ist mit seinen mittlerweile 34 Jahren ein echtes rheinländisches Urgestein. Er spielte lange Zeit für Remscheid Amboss und zwischendurch für Bonn. 2021 folgte er dem Ruf der Cologne Centurions und wechselte in die ELF. Ein Jahr später sollte Poetsch für Rhein Fire auflaufen. 

Nach gelungenen und missglückten Field Goal Versuchen gingen die beiden Teams mit 14 zu 9 für Rhein Fire in die Pause. Dazu gelang den beiden Tight Ends Florian Eichhorn (aus Aachen) für Rhein Fire und Jean-Claude Madin Cerezo für die Sea Devils jeweils ein Receiving Touchdown. 

Dem gebürtigen Hamburger sollte in seinem Stadion noch ein weiterer Touchdown in Hälfte Zwei gelingen. Insgesamt reichte es aber nicht zum Heimsieg der Sea Devils. Nichtzuletzt dank Star-Receiver Nathaniel Robitaille feierte Rhein Fire einen ungefährdeten Auswärtssieg. Auch wenn das am Ende relativ knappe Ergebnis etwas anderes auszusagen vermag. 

“Würdiger Rahmen”

Die Fans auf den gut gefüllten Rängen ließen sich auch vom zwischenzeitlichen 27 zu 9 nicht die Laune verderben. “Hanseatische Ausgelassenheit auf den Rängen” kommentierte es mit einem Schmunzeln ein Hamburger Zuschauer auf der Tribüne. “Die Stadt Hamburg hat der ELF einen würdigen Rahmen verpasst”. 

Und das gilt in vielerlei Hinsicht. Denn die Stimmung war zwar für norddeutsche Verhältnisse ausgelassen, doch einige angereiste Rheinländer hatten  sicher eine ausgelassenere Football-Party erwartet. Der Funke wollte aber auch nie so richtig überspringen, denn die Akustik im Stadion war unterirdisch. Zuschauende konnten nur schwer heraushören, bei welchem Down sich die Teams gerade befanden und wie viele Yards noch zu gehen waren. Der Pausenpfiff kam für viele völlig überraschend. 

Denn auch die Anzeigetafel vermochte keinen Aufschluss darüber zu geben, an welchem Zeitpunkt sich das Spiel gerade befand. Exemplarisch dafür steht auch, das Rhein Fire Head Coach Jim Tomsula kurz vor Spielende ein Fernglas zur Hand nahm, um zu erfahren, ob er nach dem verpatzten Onside Kick der Hamburger bereits in die Victory Formation wechseln konnte oder noch ein neues First Down seiner Offense benötigte. 

Profitiert der Football in Deutschland?

Dies tat aber der angenehmen Atmosphäre eines entspannten Nachmittags im Hamburger Volksparkstadion keinen Abbruch. Fans beider Teams waren genauso miteinander im Jubel um einen Feiertag des deutschen Footballs vereint, wie rivalisierende NFL-Fans, die auf der Tribüne im letzten Quarter bereits über den Saisonausblick ihrer heißgeliebten Teams aus der amerikanischen Profiliga debattierten. 

So liest sich die Bewertung eines Polizisten, der sonst öfter bei Fußballspielen in Hamburg eingesetzt wird und an diesem Wochenende privat als Zuschauer im Stadion war, im selben Klang der harmonischen Feier: “Letzte Woche stand ich noch da hinten und musste sicherstellen, dass die Stuttgarter nicht den Platz stürmen und nun guck dir mal an, wie entspannt meine Kollegen auf dem Oberrang sitzen und einfach nur das Spiel genießen. Sowas als Polizist in einem Stadion zu erleben, ist selten, aber auch mal schön.”

Die European League of Football hat mit 32.500 Fans im Volksparkstadion unter Beweis gestellt, dass eine breite Masse für American Football in Deutschland begeistert werden kann und dass es dabei unerheblich ist, ob die Stars aus der NFL kommen oder in Europa das Spiel gelernt haben. 

Für den europäischen Football und vor allem in Deutschland geht es nun darum, diese Euphorie nachhaltig zu nutzen. Wenn am Ende ein froher Football-Nachmittag bei bestem Wetter im Hamburger Volksparkstadion bleibt, spricht die Football-Gemeinde immer noch von einem neuen Rekord in der ELF. Doch für die Liga und die German Football League nebendran, kann es nur darum gehen, diesen Effekt für weitere Großveranstaltungen mitzunehmen. 

Denn ganz nebenbei spielten am Wochenende die Rostock Griffins gegen Aufsteiger Oldenburg Knights in der zweiten deutschen Liga, der GFL2, im Ostseestadion vor 8.415 Fans. Für die Liga bedeutet dies ebenfalls ein Zuschauerrekord. Und in der Vorwoche luden die Dresden Monarchs in der GFL die Berlin Rebels ins Rudolf-Harbig Stadion ein und besetzten die Haupttribüne mit über 10.000 Zuschauern. Der Football-Hype in Deutschland kommt an. Die Euphorie darf nun nicht gebremst werden. 

Über den/die Autor/in
Philipp Forstner
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Philipp Forstner
Autor / Redakteur
Philipp schreibt bei TOUCHDOWN24 u.a. über den College Football