Stehen vor unklarer Zukunft: Cologne Crocodiles - Foto: IMAGO / Beautiful Sports

Eine folgenschwere Fehleinschätzung des Vorstands der Cologne Crocodiles hat zum Rückzug aus der obersten deutschen Spielklasse geführt. Auch die GFL erleidet dadurch einen Imageschaden.

Jan Stecker, Kadia Ghadamgahi und Christian Kohn haben sich offenbar vertan. Der Vorstand der Cologne Crocodiles war offenbar der Ansicht, dass man mitten in der Vorbereitung auf die anstehende GFL-Saison den Head Coach austauschen kann, wenn man nur schnell genug einen starken Nachfolger präsentiert. Zwar klang Martin Hanselmann nach der einzig denkbaren Besetzung, worunter das Unterfangen hätte gelingen können, doch reichte nicht einmal das Renommee des früheren Trainers der Deutschen Nationalmannschaft aus, um den Untergang der Crocodiles zu verhindern. Am Ende steht der Rückzug eines GFL-Vereins nur wenige Wochen vor dem Saisonstart. Das Besondere: Anders als in den meisten Fällen hat nicht das finanzielle Scheitern eines Vereins zum Rückzug geführt, was die Situation besonders bitter macht.

Wo Geld die Menschen nicht verbindet

Ein Footballverein ist anno 2023 in Deutschland noch immer ein sensibles Gebilde, auch ein Erstligist mit großer Vergangenheit und Tradition. Abseits großer Gehälter baut noch immer viel auf der Leidenschaft von Trainern, Spielern und Ehrenamtlern auf, die vor allem mit Herzblut bei der Sache sind. Importspieler können zwar auf vierstellige Gehaltsschecks kommen, darunter springt bei den meisten noch immer nicht mehr als ein besseres Taschengeld heraus. Um gemeinsam für eine “große Sache“ zu kämpfen, sind Menschen trotzdem bereit, ihre Freizeit zu opfern, um stolz das Emblem des eigenen Vereins zu tragen. Werden einzelne Menschen, die innerhalb der Gruppe ein hohes Ansehen genießen, von Verantwortungsträgern herausgerissen, kann das eine Lawine an Folgen nach sich ziehen.

“Wenn der so behandelt wird“, “Wenn der nicht mehr dabei ist“ und ähnliche Phrasen, “dann werf ich auch hin“. Die Solidarität unter den Menschen ist in derlei organisierten Gebilden groß. Das ist menschlich und überhaupt nicht zu verurteilen. Würden Firmen und Unternehmen ihre Mitarbeiter nicht mit lebenswichtigen Gehältern bezahlen, die wenigsten Mitarbeiter würden sich Dinge in ihrem Arbeitsalltag ohne eigene Konsequenzen gefallen lassen, die sie sich nunmal gefallen lassen. Geld entschädigt – und wo das nicht vorhanden ist, muss eine Menge Liebe und Leidenschaft zumindest auf Anerkennung und Spaß, am besten auf Gegenliebe, stoßen. Und genau das haben die Crocodiles-Macher unterschätzt.

Sportlicher Anspruch und finanzielle Wirklichkeit

Natürlich ist es jetzt einfach, dem Vorstand der Crocodiles alle Schuld dafür zu geben. Doch in diesen Tagen leidet ein Vereinsurgestein wie Stecker wohl mit am meisten. Das Tischtuch zwischen dem Vorstand und dem Trainerteam unter David Odenthal scheint rückwirkend betrachtet bereits zerschnitten gewesen zu sein, woran beide Parteien vermutlich ihren Anteil hatten. Der Eindruck entstand, als würde der Coaching Staff mehr aus den Crocodiles herauspressen wollen, als eigentlich drin war. Sportlicher Erfolg auf Basis finanzieller Ansprüche, die der Verein nicht erfüllen konnte? Vielleicht wäre Demut an der richtigen Stelle angebrachter gewesen. Dann ist man halt “nur“ ein Playoff-Anwärter oder kämpft um den Klassenerhalt und wird eben kein Meisterschaftsmitfavorit. Die Fans wären diesen Weg offen kommuniziert wahrscheinlich mitgegangen.

In den vergangenen beiden Jahren hat sich der Verein zudem sehr viel an den Cologne Centurions und der European League of Football abgearbeitet. Spielerabwanderungen und Trainingsmöglichkeiten der Centurions beklagt, obwohl man selbst jahrelang nicht anders mit umliegenden Vereinen in Sachen Rekruiting umgegangen war. Aber der Kölner Football sind eben nicht nur die Crocodiles, Football-NRW nicht der Ausbildungsplatz für einen Kölner GFL-Verein. Plötzlich musste man selbst Spieler an die Centurions oder an Rhein Fire abgeben, was zu einem öffentlichen Wehklagen führte. Wenigstens das ist gut: Zukünftig werden zumindest nicht mehr die Centurions als Zielscheibe hinhalten müssen, die Gegner der nächsten Jahre heißen vermutlich eher Cologne Ronin, Cologne Falcons, Troisdorf Jets oder Wesseling Black Venom.

Fiasko auch für die GFL

Der Verlust des Vorjahreshalbfinalisten aus ihren Reihen ist auch für die German Football League ein Fiasko. Gerade weil man sich im Wettbewerb mit der ELF befindet, gerade weil der Ligaverband in der Post-Huber-Ära alles dafür tut, um die eigene Professionalität zu steigern. Stattdessen gerät der Spielplan der GFL Nord durcheinander, müssen Gegner auf ein Heimspiel verzichten, für das womöglich bereits Karten verkauft sind. Bis zum Ende der Woche will der Verband schauen, wie er größtmöglichen Schaden von der GFL abwenden kann. Der Schatten einer folgenschweren Fehleinschätzung ist lang.

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Dirk Kaiser
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