Die Entscheidungen der Carolina Panthers zu verstehen, ist seit vielen Jahren quasi ein Ding der Unmöglichkeit. Dank katastrophaler Trades, permanenter Personalwechsel und einem Besitzer, der abseits des Feldes für fragwürdige Schlagzeilen sorgt, taumelt das Team von einer Peinlichkeit zur nächsten.
2023 soll sich dann das Blatt endlich zum Guten wenden: Im Draft setzen die Panthers alles auf eine Karte, traden mit D.J. Moore, zwei Erstrunden- und zwei Zweitrundenpicks ihre gesamte mittelfristige Zukunft für den Nummer-eins-Pick der Chicago Bears. Das Ergebnis: Der begehrte Alabama Quarterback und Gewinner der Heisman Trophy, Bryce Young.
Etwas mehr als ein Jahr später steht fest: Der Gamble ist – vorerst – gescheitert. Man hat Young mit der Verantwortung für die gesamte Panthers-Organisation völlig allein gelassen. Nach einem weiteren schlechten Spiel gegen die Los Angeles Chargers, in dem der 23-Jährige für nur 84 Yards warf, eine Interception und zwei Sacks kassierte, wird er auf die Bank gesetzt. Und dass, obwohl Head Coach Dave Canales Young noch kurz nach dem Spiel ausdrücklich den Rücken stärkte und anmerkte, dass "man da durchmüsse“ und "auf der Bank keine Erfahrung sammle“.
Laut US-Quellen traf Tepper die Entscheidung
Einen Tag später melden erst das NFL-Network und ESPN die Strafversetzung von Young, später bestätigt es das Team offiziell. Laut US-amerikanischen Quellen ist das vor allem die Entscheidung des hitzköpfigen Besitzers David Tepper. Es macht nicht nur deutlich, wie wenig Weitsicht Tepper auf sein Team besitzt, sondern auch, dass bei den Panthers die Entscheidungen wohl nicht von den sportlich Verantwortlichen getroffen werden, sondern von den dicken Geldbeuteln im Hintergrund. Insidern zufolge wurde Young von der Entscheidung nicht nur völlig überrascht, sondern ist verständlicherweise auch verärgert. Sogar ein Trade steht jetzt im Raum.
In jedem Fall kann Young dem unbeteiligten Zuschauer nur leidtun. Sicherlich, er spielt seit seinem Draft nicht besonders gut. Wie soll er aber auch, in einer Umgebung, die ihn mehr oder weniger zum Scheitern verurteilt. Den Erfolgsdruck der Panthers auf den jungen, unerfahrenen Schultern ihres fest eingeplanten Franchise Quarterbacks abzuladen, ist so hirnrissig wie gefährlich. Was haben die Panthers davon, dass ihr auserkorener Goldjunge schon in seiner zweiten Saison so sehr verunsichert ist, dass er die einfachsten Pässe nicht an den Mann bringt? Statt Young eine halbwegs verlässliche Offensive Line zu stellen, lassen sie Young geradewegs in sein Unheil laufen. Dass jetzt Routinier Andy Dalton einen besseren Job macht, ist schwer vorstellbar. Young zusätzlich nicht nur seine Spielzeit zu nehmen, sondern auch sein fundamentales Vertrauen in seinen Coach durch revidierte Entscheidungen zu zerstören, trägt da sicherlich nicht zur gesunden Weiterentwicklung des Quarterbacks bei.
Eine Nummer eins ist noch lange keine Garantie
Da die Panthers so viel Draftkapital in Young investierten und in der Konsequenz auch ihren Nummer-eins-Pick im Draft 2024 verloren haben, wiegt der Misserfolg von Young und dem gesamten Team noch schwerer. Der Vergleich zu Nummer-zwei-Pick C.J. Stroud tut zusätzlich weh. Allerdings haben die Houston Texans, anders als die Panthers, für Stroud durch einen soliden Kader und einen Coach, der Vertrauen in ihn setzt, auch eine bessere Ausgangslage geschaffen. In dieser kann Stroud sich entwickeln und hat trotzdem einen Spielraum für Fehler und Brillanz gleichermaßen. Und überhaupt: Dass der erste Pick im Draft noch lange keine Garantie für automatischen Erfolg ist, zeigt nicht nur der Draft 2023, sondern auch die letzten Jahre: Im Quarterback-Seuchenjahr 2022 wurde mit Defensive End Travon Walker wohl der unbedeutendste Nummer-eins-Pick der jüngeren Vergangenheit gedraftet.
Trevor Lawrence, die Nummer eins 2021 fand sich, auch aufgrund fragwürdigen Coachings, anfangs schwer zurecht. Auch ein Baker Mayfield, Jared Goff oder Andrew Luck kann für ihre jeweiligen Draftteams nicht unbedingt als Erfolg auf ganzer Linie bezeichnet werden. An eins wurden in den letzten 20 Jahren auch so irrelevante Namen wie Jameis Winston, Sam Bradford oder JaMarcus Russell gedraftet. Und einen Patrick Mahomes, Josh Allen oder Lamar Jackson sucht man unter den Number-one-Picks vergeblich. Dieser Pick löst keine automatische 180-Grad-Drehung einer Franchise aus, auch wenn die Panthers das 2023 vielleicht gerne geglaubt hätten. Selbst bei Erfolgsgeschichten wie Joe Burrow mussten die Bengals zusätzlich erheblich in ihren restlichen Kader investieren. Für die First-Overall-Auswahl zu traden, bedeutet das zusätzliche Risiko verschwendeten zukünftigen Draftkapitals, das die Panthers willentlich eingegangen sind.
Auch Caleb Williams startete schwach
Auch der aktuelle Nummer-eins-Pick mit Caleb Williams zeichnete sich in den ersten beiden Partien der Saison mit den Chicago Bears noch nicht aus. Der Sieg der Bears in der Auftaktwoche kam eher trotz als wegen Williams zustande. Die Bears sind seit Jahren ähnlich gut darin, Talente zu fördern, wie die Carolina Panthers. Chicago stattete Williams zwar mit guten Anspielstationen aus, die schlechte Offensive Line der Bears bedeutet für Williams aber genau wie Young wenig Schutz und damit kaum Zeit für einen jungen Quarterback, Entscheidungen abzuwägen und kleine Schnitzer im Spiel zu erlauben. Es bleibt nur zu hoffen, dass die Bears mit Williams mehr Geduld beweisen als die Panthers mit Young. Am Ende des Tages ist schließlich niemandem damit geholfen, hochtalentierte junge Spieler zu demoralisieren.