Nun, nachdem die Preseason der NFL beendet ist und die Teams ihre Kader für die neue Saison festgelegt haben, werfen wir einen Blick auf die sechs Quarterbacks, die in der ersten Runde gedraftet wurden. Wie ist der erste Eindruck? Wer darf schon in Woche eins ran? Und welches Talent wird noch auf seinen ersten Einsatz warten müssen? In Teil I beschäfitgen wir uns mit Caleb Williams, Jayden Daniels und Drake Maye.
Im vergangenen April passierte etwas, was es in der 104-jährigen Geschichte der NFL und in 88 Jahren Draft so noch nie gegeben hat. Gleich sechs (!) Quarterbacks wurden in den ersten zwölf Picks ausgewählt! First-Overall-Pick Caleb Williams ging zu den Chicago Bears, Jayden Daniels zu den Washington Commanders, Drake Maye zu den New England Patriots, Michael Penix Jr. zu den Atlanta Falcons, J.J. McCarthy zu den Minnesota Vikings und Bo Nix nach Denver zu den Broncos. Da die Training Camps sowie die Preseason vorbei sind und wir Game-Tape von (fast) allen QBs haben, lohnt es sich, ein kleines Zwischenfazit zu ziehen und zu analysieren, welchen ersten Eindruck die Rookies hinterlassen haben.
Caleb Williams (Chicago Bears)
Es war für niemanden eine Überraschung, als die Verantwortlichen der Chicago Bears Caleb Williams bereits kurz nach dem Draft offiziell zum Starting-QB des Teams ernannten. Immerhin war er der erste Pick im Draft und ohne Frage der beste Prospect auf seiner Position. So mancher Analyst nahm sogar das Wort "generational“ in den Mund, um das Talent von Williams zu beschreiben. Und nach allem, was man bisher aus Chicago hört, wird der 22-Jährige seinen Vorschusslorbeeren absolut gerecht. In seinen 43 Snaps, die er auf zwei Spiele verteilt in der Preseason auf dem Feld stand, ließ er sein unglaubliches Talent zahlreiche Male aufblitzen. Egal, ob Off-Platform, gegen den Druck oder im Scramble-Mode, Caleb ist ein Playmaker.
Caleb. Williams.
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Und auch wenn die Preseason meist nicht besonders aussagekräftig ist, da viele Teams ihre Stars schonen, ist man in Chicago in Person von General Manager Ryan Poles sehr zufrieden mit seinem neuen Star: "Ich denke, als das Spiel begann, konnte man sehen, wie sich die Dinge verlangsamten und er in seiner Komfortzone war, was ein gutes Zeichen ist“, erklärte Poles in einem Podcast. "Wir sprechen darüber, dass die Entwicklung nicht immer linear verläuft, aber er hat bisher einen ziemlich linearen Entwicklungspfad eingeschlagen. Er lernt aus jedem Moment im Training und in den Spielen und wird einfach immer besser.“ In Chicago läuft also alles nach Plan und mit diesem Supporting Cast, der sich um Williams herum gesammelt hat, könnte er bereits in seiner Rookie-Saison für Furore sorgen und die Bears endlich wieder mitreißend machen.
Jayden Daniels (Washington Commanders)
Auch Second-Overall-Pick Jayden Daniels wurde von den Washington Commanders zum Starter für Week 1 ernannt. Der 23-Jährige spielte fünf Jahre im College, startete insgesamt 55 Spiele und sammelte dadurch bereits eine Menge Erfahrung. Mit seiner Athletik und seinem Talent ist er der mit Abstand beste Quarterback im Roster der Commanders und stellte das sowohl im Training Camp als auch in der Preseason unter Beweis.
Jayden Daniels' best plays through 2️⃣ preseason games 🔥@JayD__5 | @Commanders pic.twitter.com/Ur9R1aG1AC
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Schon zu Beginn des Sommers wurde er von seinem Coach für seine Vielfältigkeit gelobt: "Wenn er einfach aus der Pocket läuft, ist das viel einfacher zu verteidigen ... aber dieser Spieler kann [das Play] am Leben erhalten und in der Bewegung werfen“, schwärmte Head Coach Dan Quinn von seinem neuen Quarterback. Und dieser Eindruck hat sich im Anschluss nur bestätigt. Daniels ist nicht nur unfassbar schnell und mobil, auch seine Entscheidungen, präzisen Würfe, gemachte Fehler nicht zu wiederholen, seine Führung im Huddle und die Kommunikation mit den Teamkollegen beeindruckten die Coaches.
Dazu gibt er ihnen laut Offensive Coordinator Kliff Kingsbury sogar die Möglichkeit, die Grenzen des Schemes voll auszureizen: "Es ist nicht so, dass es immer dasselbe ist. Ich meine, man macht das gleiche Konzept, lässt es aber auf eine andere Art und Weise laufen, […] und er kommt damit sehr gut zurecht. Bis jetzt hat er alles mit Bravour gemeistert.“
Wide Receiver Dyami Brown bringt die ersten Eindrücke von Daniels in Washington auf den Punkt: "Er ist fast wie ein Veteran da draußen. Er versteht, was vor sich geht. Wenn er einfach so reinkommt und dieses Selbstvertrauen hat, denke ich nicht, dass er ein Rookie ist.“
Einzig das Sliden am Ende seiner QB-Runs ist etwas, was Dan Quinn und die restlichen Coaches gerne noch häufiger sehen würden, damit der Heisman-Gewinner seine Fähigkeiten möglichst lange präsentieren kann. Dennoch ist es beeindruckend zu sehen, dass Daniels nicht nur mit seiner Athletik besticht, sondern scheinbar auch im Kopf einen klaren Eindruck macht. In Washington hat man wieder Hoffnung!
Drake Maye (New England Patriots)
Drake Maye galt vor dem Draft als derjenige der drei Top-QBs, der besonders roh ist und mehr Zeit brauchen würde, um Starter in der NFL zu werden. Vor allem seine Fußarbeit, die in Ungenauigkeit bei seinen Würfen endet, wurde oft bemängelt und machte ein bisschen zu einem Project-QB. Im Training Camp erhielt er von Anfang an hinter Jacoby Brissett die Reps mit der zweiten Offense und hatte dabei gute, aber auch schlechte Tage, wobei seine Offensive Line und Receiver ihren Teil zur Inkonstanz beitrugen. Dennoch wurde seine Fußarbeit merklich besser. Nach einem schlechten Joint Practice mit den Philadelphia Eagles, bei dem er dauerhaft unter Druck war, folgte dann ab dem zweiten Preseason Game die Wende: Maye machte ein gutes Spiel und ließ sein Talent immer wieder aufblitzten. Diesen Schwung nahm er im Anschluss mit, zeigte sich im Training deutlich verbessert und selbstbewusster und startete einen echten Angriff auf den Job als Starter für Woche eins.
Let's give Drake Maye the starting QB job and see what happens pic.twitter.com/0aKJC7plRh
— Ian Hartitz (@Ihartitz) August 27, 2024
Head Coach Jerod Mayo erklärte nach dem letzten Preseason-Spiel sogar öffentlich, dass Maye in den Trainings und Spielen bessere Leistungen als Brissett abgeliefert habe. Dennoch entschieden sich die Patriots am Ende für Brissett als Starter für den Saisonstart. Die Gründe dafür sind seine Erfahrung im neuen Offensivsystem und unter dem neuen Offensivkoordinator Alex Van Pelt sowie sein Verständnis davon, an der Line of Scrimmage Lösungen gegen bestimmte Situationen, wie zum Beispiel gegnerischen Druck, zu finden. Dafür braucht man Erfahrung und vor allem Zeit, um die Offense noch besser zu verstehen, die Maye bisher aber noch nicht hatte.
Es dürfte aber noch einen weiteren, inoffiziellen Grund geben, warum der Third-Overall-Pick noch nicht startet: Die Offensive Line der Patriots ist, vorsichtig gesagt, ein komplettes Chaos. Es gibt keinen gestandenen Left Tackle im Kader und auf Right Tackle wird vermutlich kurzfristig wieder Michael Onwenu einspringen müssen, da Veteranen wie Chuks Okorafor nicht performen und Rookie Caedan Wallace bisher zu inkonstant ist. Dazu kommen Vorkommnisse wie die acht (!) Strafen der O-Line in der ersten Halbzeit des letzten Preseason-Spiels. Auch im Sommer waren Strafen vor dem Snap immer ein Thema. New England hat seine "beste fünf“ noch nicht gefunden und wird zu Beginn der Saison weiter ausprobieren müssen, mit welcher Kombination der Offensive Line es am wenigsten schlimm ist. Einen Rookie-QB in so eine Situation zu werfen wäre ein Fehler mit Ansage und könnte die Entwicklung von Drake Maye gefährden.
Dennoch wird der 21-Jährige mit hoher Wahrscheinlichkeit in dieser Saison spielen, dafür waren seine Leistungen zu gut. Doch mit der Entscheidung, ihn erstmal auf die Bank zu setzen, erkaufen sich die Patriots Zeit, um die Situation um den Quarterback zu verbessern. In der Zwischenzeit arbeitet Maye weiter an seiner Fußarbeit, versucht einige seiner schlechten Angewohnheiten abzustellen, sammelt Erfahrung und lernt die Offense sowie gegnerische Defenses besser kennen.
Dass man so früh in der Karriere von Rookie-Quarterbacks fast ausschließlich Positives hört, ist normal und hat relativ wenig zu bedeuten. Jeder dieser drei Quarterbacks kann trotz des vielen Lobes ein Bust werden. Trotzdem haben sie ihr Potenzial bereits mehrfach aufblitzen lassen und bisher alles richtig gemacht, was sie richtig machen konnten. Jetzt müssen sie ihr Talent auch in der Regular Season und letztendlich in den Playoffs auf den Rasen bringen, bevor man bewerten kann, ob sie wirklich so gut sind, wie es erscheint.
Dennoch: der Start in die Karrieren der ersten drei Picks war vielversprechend und lässt auf mehr hoffen.
In der nächsten Woche schauen wir uns die Situationen von Michael Penix Jr., J.J. McCarthy und Bo Nix an, deren Starts in ihre Karrieren im Vergleich zu den anderen QBs nicht so „unkompliziert“ waren.