Die Zeiten von Derrick Henry, Ryan Tannehill und Mike Vrabel sind bei den Tennessee Titans endgültig Geschichte. Die Zukunft heißt Tony Pollard, Will Levis und Brian Callahan, zumindest wenn es nach den Wünschen von Titans-Besitzerin Amy Adams Strunk und General Manager Ran Carthon geht. Doch es stellen sich viele Fragezeichen: Kann Pollard ähnlich dominant wie Henry spielen? Wie gut sind die zahlreichen neuen Gesichter im Kader? Ist Callahan genauso gut als Head Coach wie als Coordinator? Und die wichtigste Frage von allen: Hat Will Levis das Zeug zum Franchise Quarterback?
Es war eine der überraschendsten Entscheidungen in der vergangenen Offseason, als Titans-Besitzerin Amy Adams Strunk sich von Mike Vrabel, einem der angesehensten Head Coaches der Liga, trennte. Dieser hatte das Team aus Tennessee nach langer Zeit wieder in die Relevanz geführt und Division-Siege sowie einen Einzug ins AFC Championship Game gefeiert. Zur gesamten Wahrheit gehört aber auch, dass es in den letzten beiden Saisons, auch aufgrund von Entscheidungen des ehemaligen General Managers Jon Robinson, deutlich bergab ging. Deshalb entschied man sich in Nashville, frischen Wind in die Organisation zu bringen und stellte den Offensive Coordinator der Cincinnati Bengals, Brian Callahan, als neuen Head Coach ein. Ein offensiv orientierter Coach, der in Cincinnati eine der spektakulärsten Offenses der NFL mitbetreute und eng mit Superstar-Quarterback Joe Burrow zusammenarbeitete. Nun soll er diese Offensivpower zu den Titans bringen und Jung-Quarterback Will Levis zu einem Franchise Player machen.
X-Faktor Will Levis
Der Zweitrundenpick aus dem NFL Draft 2023 wurde in Woche acht der vergangenen Saison nach einer Verletzung von Stamm-Quarterback Ryan Tannehill ins kalte Wasser geworfen und gab seinen Platz anschließend nicht wieder her. Vor allem sein überragendes Debüt, in dem er vier Touchdowns, keine Interception sowie ein Passer Rating von 130,5 auflegte und somit sein Team zum dritten Saisonsieg führte, beeindruckte der Verantwortlichen der Titans. Dieses Niveau konnte der 24-Jährige jedoch nicht aufrechterhalten, sodass einige schwächere Spiele folgten. Am Ende der Saison standen für Levis drei Siege und sechs Niederlagen, acht Touchdowns bei vier Interceptions sowie ein Passer Rating von 84,2 zu Buche.
Durchschnittliche Zahlen in einem insgesamt schwachen Team, aber dennoch genug, um die Titans davon zu überzeugen, ihm eine ganze Saison als Starter zu geben. Vor allem seine Armstärke und seine gute Athletik sind verlockende Eigenschaften, auch wenn er sich bei seiner Wurfgenauigkeit sowie dem Lesen der Defense noch verbessern muss. All das sind Probleme, die auch Elite-Quarterbacks wie Josh Allen zu Beginn ihrer Karriere hatten. Das bedeutet keineswegs, dass Levis einmal so gut wie der Bills-Quarterback wird, sondern soll einfach nur verdeutlichen, dass es sich um behebbare Schwächen in seinem Spiel handelt. Und genau das wird die Aufgabe von Head Coach Callahan, Offensiv-Koordinator Nick Holz und Quarterback Coach Bo Hardegree sein.
Im besten Fall schöpft Levis sein Potenzial mit gutem Coaching aus, im schlechtesten Fall brauchen die Titans in der nächsten Offseason einen neuen Quarterback. Eins ist jedoch klar - der ehemalige Star der University of Kentucky wird in dieser Saison zeigen müssen, dass er sich verbessert hat und der Trend bei ihm nach oben zeigt, ansonsten könnte er in naher Zukunft ersetzt werden. Um ihm die besten Bedingungen dafür zu ermöglichen und eine klare Antwort auf die Frage zu erhalten, ob Levis das Zeug zum Franchise-Quarterback hat, machte General Manager Ran Carthon in der Offseason einige aggressive Moves und holte für viel Geld zahlreiche Verstärkungen ins Team.
Unterstützung für ein schwächelndes Team
Um diese optimalen Bedingungen für ihren Quarterback zu schaffen, gaben die Titans laut spotrac im März insgesamt knapp 233 Millionen US-Dollar für neue Spieler aus, was den dritthöchsten Wert der NFL darstellt. Vor allem für die Offensive wurden bekannte Namen wie die Wide Receiver Calvin Ridley und Tyler Boyd sowie Runningback Tony Pollard unter Vertrag genommen. Auch eine gute Defense schadet bekanntlich keinem jungen Quarterback, sodass außerdem Cornerback Chidobe Awuzie und Linebacker Kenneth Murray Jr. verpflichtet wurden. Als weiteren spektakulären Move tradete GM Carthon für L’Jarius Sneed von den Kansas City Chiefs und stattete ihn mit einem neuen Monstervertrag über 76,4 Millionen Dollar für vier Jahre aus.
Die Offensive Line der Titans war 2023 laut PFF die schlechteste Unit der gesamten Liga, lag auf dem letzten Platz in der "pass-blocking efficiency“ und ließ gleichzeitig mit 49 Sacks die meisten der NFL zu. Mit so einer Line kann kein Quarterback erfolgreich sein, vor allem kein Rookie. Die wohl vielversprechendste Maßnahme zur Verbesserung seiner O-Line traf Neu-Cheftrainer Callahan selbst, indem er seinen Vater Bill Callahan als seinen neuen Offensive-Line-Coach einstellte. Callahan Senior gilt als legendärer O-Line-Coach und dürfte die Unit allein durch sein Coaching verbessern. Dazu unterschrieb mit Lloyd Cushenberry der beste Free-Agent-Center in Nashville. Mit J.C. Latham draftete man außerdem in der ersten Runde einen hochtalentierten und athletischen Right Tackle, der von Bill Callahan zum Starter auf Left Tackle umgeschult werden soll.
Jetzt liegt es an Levis
Nach den Verstärkungen, vor allem für seine Offense, aber auch für die Defense, muss Levis beweisen, dass er das Zeug zum Starter hat und die Titans langfristig anführen kann. Die O-Line sollte deutlich stabiler als noch im vergangenen Jahr sein, auch wenn noch nicht abzusehen ist, ob Latham so einschlägt, wie es sich das Front Office und die Coaches in Tennessee vorstellen. Dennoch sollte allein das Coaching von Bill Callahan dafür sorgen, dass man sich sichtbar verbessert. Mit dem Receiver-Trio aus DeAndre Hopkins, Calvin Ridley und Tyler Boyd bekommt Levis drei Veteranen zur Seite gestellt, die ihm mit ihrer Qualität und Erfahrung helfen sollen. Hopkins erreichte letztes Jahr selbst in einem schwachen Team über 1000 Receiving Yards, während mit Ridley ein weiterer 1000-Yard-Receiver zur Offense stößt. Boyd ist zudem ein zuverlässiger Slot Receiver, der bereits für Burrow in Cincinnati eine beliebte Anspielstation war, da er als ein Quarterback-freundlicher Passempfänger gilt. Mit Pollard steht außerdem ein Runner im Backfield, der über solide Receiving-Qualitäten verfügt und Levis mit seinem Laufspiel entlasten kann.
Diese Saison ist vermutlich die einzige Chance für Levis, ein Starter in der NFL zu werden. Denn wenn er mit diesen Waffen keine signifikante Verbesserung zu seiner Rookie-Saison zeigen kann, wird es schnell eng für ihn werden. In diesem Fall könnten die Titans 2025 einen neuen Rookie-Quarterback draften und ihm mit ihrem Talent im Kader sofort gute Aussichten auf Erfolg bieten. Es gilt also: Will Levis, it’s up to you!