Vielerorts in der NFL blicken die jeweiligen Franchises gerade auf einen Scherbenhaufen, auf die Trümmer einer einst so hoffnungsvoll begonnenen Saison. Auch die Dallas Cowboys sehen sich mit diesem Schicksal konfrontiert, dem die jüngsten Aussagen von Micah Parsons noch einmal die Krone aufsetzen.
Man kann diejenigen ja manchmal verstehen, die Mike McCarthy seit jeher in Green Bay und auch just in Dallas zu einer Art Punching Bag abgeschrieben haben. In seinem ganzen Auftreten bewegt er sich irgendwo zwischen Doug Heffernan und einem verträumten Bürokraten, der Zeit seines Lebens nicht hinter dem Schreibtisch hervorgekrochen ist. Emotionen zeigt er nur wenige, selbst wenn seinem Team mal etwas Gutes gelingt blickt er in eine nicht näher zu definierende Ferne, bei der man nicht sagen kann, ob er da den Super Bowl oder ein glasiertes Schinken-Sandwich sieht. Im Falle des fast immer eintretenden Misserfolgs wird so jemand ohne Ecken, Kanten oder auch nur den entferntesten Hang zur Selbstdarstellung schnell abgestempelt als der dumme August, an dem alles vorbeirauscht. Nur so dumm kann der liebe August ja gar nicht sein, denn schließlich schimmert all die Jahre ein Super-Bowl-Ring an seinem Finger.
Punching Bag Mike McCarthy kassiert noch einen
Der Glanz des Schmuckstücks scheint in der Gegenwart in Dallas aber wohl niemanden zu interessieren. Zumindest nicht Micah Parsons, der sich unlängst zu einer mehr als despektierlichen Äußerung über McCarthy hinreißen ließ. Auf die Frage, ob dieser nächstes Jahr noch Coach der Dallas Cowboys sein würde, antwortete Parsons noch einigermaßen diplomatisch und verwies darauf, dass derlei Entscheidungen über seiner Gehaltsstufe liegen würden. Recht hat er, doch damit nicht genug. Denn danach bedauerte er, dass man einer Legende wie Cowboys-Guard Zack Martin keinen Titel schenken könnte, einem verdienten Spieler, der „mehr Zeit und mehr Arbeit investiert hat als Mike McCarthy es jemals getan hat“. Das wären diejenigen, für die Parsons die aktuelle Seuchensaison der Cowboys tatsächlich leidtun würde.
The Irony Of Mike McCarthy Having A Shade Up To Block The Sun From Blasting In His Face During His Post Game Presser Is So Cowboys It Hurts https://t.co/2ASa6YkmoY pic.twitter.com/m6hUHbgScA
— Barstool Sports (@barstoolsports) November 12, 2024
So talentiert Micah Parsons auch sein mag – und holy smokes er ist talentiert – so sehr zeigt diese Episode doch alles, was nicht nur in diesem Jahr sondern seit geraumer Zeit in Dallas und damit auch bei ihm als Führungsspieler falsch läuft. Hier stellt sich ein Profi hin, der nichts, nada, niente in seiner Karriere gewonnen hat, und ledert über seinen aktuellen Coach ab, der sicherlich kein Erfolgsgarant in „Big D“ war, es aber eigentlich auch vom ersten Tag an nie wirklich jemandem recht machen konnte. Sein Name war längst aus seinen Packers-Zeiten verbrannt, in denen sein Super-Bowl-Titel lediglich als logische Schlussfolgerung der Genialität eines Aaron Rodgers angesehen wurde. Die anderen Jahre vergeigte allesamt McCarthy und hinterließ ein Erbe mit zu wenig Glanz und noch weniger Gloria. Aber wir können ja mal Matt LaFleur fragen, wie einfach es ist, mit Mr. Rodgers einen Titel zu holen. Oder Robert Saleh, wobei der wahrscheinlich nicht mal mehr den Hörer abnehmen würde.
Die Dallas Cowboys brauchen einen Neuanfang
Es mag ja sein, dass Parsons das ganze gar nicht so gemeint hat oder dass es ihm unbedachter Weise nur so rausgerutscht ist, so wie er es hinterher beteuerte. Falls dem so ist, ändert das aber an dem Grundverständnis, welches er der miesen Situation in Dallas entgegenbringt allerdings nichts. Als ob McCarthy nicht auch seit gefühlt einer Ewigkeit im NFL-Hamsterrad steckt, seine Familienleben aufgibt und den ganzen Druck erträgt, der mit einem Trainerposten in der Liga einhergeht. Es ist jetzt für einen Spieler einfach nicht an der Zeit, dummes Zeug zu reden, es ist jetzt nicht an der Zeit, große Verträge zu unterschreiben. Auch das eigene Podcast oder all der andere Quatsch, den man in seiner Freizeit macht, sollte mal geflissentlich auf dem Rücksitz Platz nehmen lassen, damit mit man mit echter Demut, mit echtem Respekt und der nötigen Ernsthaftigkeit seiner Arbeit nachgehen kann. Die darin liegt, Spiele zu bestreiten und sie bestenfalls eben auch zu gewinnen. Andernfalls sollte man einfach mal kleinere Brötchen backen.
Nur wie soll man es einem Micah Parsons vorwerfen, dass er sich vollkommen vergaloppiert, wenn genau diese substanzlose, sinnbefreite und respektlose Kultur von Jerry Jones und der gesamten Franchise seit Jahren herangezüchtet wird? Wo man das Siegen allein schon wegen dem Stern auf dem Helm als Geburtsrecht erachtet, ohne zu verstehen, dass hierzu eine ganze Menge mehr gehört als ein paar reguläre Saisonspiele zu gewinnen und eine gigantomanische Show abzuziehen. Solange man sich in Dallas nicht ehrlich macht und begreift, dass man von echten NFL-Elite weiter entfernt ist als die New York Jets vom Super Bowl, wird sich in Texas auch nichts ändern. Nicht mit einem neuen Coach, nicht mit neuen Spielern, ja vielleicht nicht einmal mit einem neuen Besitzer. Nein, es bedarf eines neuen Selbstverständnisses.
Einer Identität, mit der man Titel gewinnen kann. So einen Titel, wie ihn Mike McCarthy in der Tasche hat und von welchem jemand wie Micah Parsons bisher nur träumen kann.