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NFL - National Football League

"Mongos" letzte Overtime

Ein Lächeln für die Ewigkeit - NFL-Legende Steve "Mongo" McMichael von den Chicago Bears. Credit: Imago Images / ZUMA Press Wire / Bob Fila

Steve McMichael war eines der Gesichter der großen Bears-Defense von 1985, ein großer Spieler und noch viel größerer Charakter. Nun raubt die Nervenkrankheit ALS ihm seine letzten Kräfte, doch seinen Einzug in die Hall of Fame ließ er sich nicht entgehen!

Noch ist es Sommer. Wohlig warme Sonnenstrahlen erwärmen heimische Terrassen, machen Ausflüge möglich, Eis und frische Beeren schmecken. Düfte und Gefühle liegen in der Luft, die Tage strotzen vor Kraft unter blauem Himmel. Aber die ersten Vorboten des Herbstes sind bereits zu erkennen. Die Dunkelheit meldet sich am Abend früher, Nächte werden kühler. Ein erstes Blatt verfärbt sich gelb, dann nach ihm hundert und tausend weitere. Der Herbst kommt, wie jedes Jahr, mit all seiner Schönheit, mit all seiner Vergänglichkeit. Und die Blätter werden fallen, unaufhaltsam, gnadenlos.

Das schwere Schicksal Steve McMichaels

Steve McMichael ist Zeit seines Lebens so gut wie nie gefallen und wenn dann meist nach oben. In seinem Herzen schien es immer Hochsommer zu sein, ganz egal ob er als Kind in der texanischen Provinz Klapperschlangen oder auf den Feldern der NFL Quarterbacks jagte. Er tat es mit einem Lächeln auf dem Gesicht, das einerseits zügellos wie auch ein wenig verrückt anmutete, das letztendlich aber vor allem ein offenes Tor zu seinem großen Herzen darstellte. Ein winziges Stück von jenem Lächeln war auch zu erkennen, als Steve McMichael in die Pro Football Hall of Fame aufgenommen wurde.

Sonst aber erinnerte wenig an den Mann, den die Fans aus unzähligen Schlachten auf dem Gridiron oder in den Wrestling-Ringen der 1990er Jahre kennen. Steve McMichael hat Amyotrophe Lateralsklerose (ALS), eine unheilbare, dramatische Erkrankung des Nervensystems, bei welcher der Körper sich in einer gnadenlosen Degeneration befindet. McMichael ist längst an ein Bett gefesselt, er kann nicht mehr gehen, er kann nicht mehr sprechen. Seine tapfere Frau Misty pflegt ihn seit Jahren aufopferungsvoll im hauseigenen Bett. Physisch ist er nun weit weg von seinen All-Pro-Tagen, ein Schatten seines einstigen Selbst, die scheinbar leere Hülle eines früheren Football-Helden. Die Lebenserwartung bei ALS liegt bei höchstens einer Handvoll qualvoller Jahre. Doch Steves Herz, dieses große Herz, es schlägt noch.

Magische Zeiten mit „Mongo“

Vielleicht tut es das nur noch, weil „Mongo“, wie er aufgrund seiner Ähnlichkeit zu einer von NFL-Hall-of-Famer Alex Karras gespielten Serienfigur genannt wurde, einen letzten Wunsch hatte. Ein letztes großes Spiel, nach so vielen davor. Nach den Friday Night Lights in seiner Heimatstadt Freer, nach rekordverdächtigen Tagen an der University of Texas, nach einem kurzen Stelldichein bei den New England Patriots und dann nach seinen großen Tagen im Herz der furchteinflößen Chicago-Bears-Verteidigungen der 1980er Jahre. Nach Schlachten, vor denen er Tische im Locker zerbrach oder sich den Kopf an der Wand blutig schlug. „Jetzt können wir Football spielen“, lächelte er damals, ein Wahnsinniger unter Wahnsinnigen, der in all seinem Bravado immer auf seine Weise liebenswert war.

Nie war das Spiel mit dem Abpfiff wirklich vorbei, Runde um Runde wurde an der Bar, im Teamflieger oder an irgendeinem passenden Ort weitergespielt. Mit seinen Larger-Than-Life-Teamkameraden oder mit Wrestling-Legenden wie Ric Flair, mit starken Männern und schönen Frauen, die der Nacht ein Schnippchen schlagen und 24 Stunden später noch mal zwei weitere. Mongos Persönlichkeit hielt dabei immer Schritt mit seiner hünenhaften Erscheinung, er blieb liebevoller Freund, enger Vertrauter, empathischer Menschenfänger.

Vergänglichkeit in der NFL

Es ist wohl auch der Grund, warum sie nun alle immer wieder an seinem Bett stehen, nicht nur während seiner Aufnahme in die Hall of Fame. Die Gewinner des Super Bowl XX, die Richard Dents, die Dan Hamptons, die Mike Ditkas und die unzähligen anderen. Sie scherzen und lachen mit ihm, lassen die Fassade kaum bröckeln, diese schwergewichtigen, einst unverwundbaren Ex-Profis mit den gigantischen Kreuzen, für die die Last der Trauer aber auch kaum mehr zu tragen ist. Sie wissen, dass mit jedem Abschied ihrer Weggefährten ein Stück von ihnen geht, gleichsam ein Stück National Football League. „Ich sehe ihn noch, wie wir nebeneinander gespielt haben, und dann kniest du auf einmal neben seinem Bett“, sagt der legendäre Bears-Linebacker Mike Singletary mit leiser Stimme. „Es ist schwer, dass zu begreifen.“

Letztendlich ist es die Tragödie, die Menschen Leben nennen, das auf so vielfältige Weise und nicht zuletzt durch eine wunderschöne Nebensache wie den Sport zu begeistern vermag, das in sich aber auch in Tälern wandern kann, deren höllenhafte Trauer aller Worte entbehrt. Aber wie war es mit dem finsteren Tal, manchmal schreitet jemand hindurch. Steve McMichael hat die letzten Monate mit den letzten Funken seines legendären Enthusiasmus gespielt, gelitten, sich in eine womöglich letzte Overtime gekämpft. Am Ende stand seine Hall of Fame Büste neben ihm, jenes von ihm so lang ersehnte Symbol sportlicher Unsterblichkeit. Sein vielleicht letzter großer Sieg.

Für einen wunderschönen, denkwürdigen Tag war es im August noch einmal Sommer. Aber der Herbst, er wird kommen. Und die Blätter werden fallen, so wie sie es immer tun.

Über den/die Autor/in
Moritz Wollert
Moritz Wollert
Moritz Wollert schreibt für TOUCHDOWN24 u.a. über die NFL. Für das monatliche Print-Magazin schreibt er u.a. die NFL History Artikel

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