Die Detroit Lions vergessen und vergeben nicht. So viel scheint seit Sonntag festzustehen. Opfer ihrer Wut: Die Dallas Cowboys, die dem neutralen Zuschauer fast schon leidtun konnten. 47:9 zeigt ein Ergebnis an, das trotz seiner Deutlichkeit nicht in Gänze die Peinlichkeit des Spiels widerspiegelt.
Und vor allem nicht, wie viel Spaß die Lions dabei hatten. Abgesehen von der schlimmen Verletzung von Aidan Hutchinson spielt Detroit ein nahezu perfektes Spiel und zeigt der Liga, wie kreativ Football sein kann. Als die Lions in der letzten Saison beim Spiel gegen die Cowboys durch eine zweifelhafte Schiedsrichterentscheidung als Verlierer vom Platz gegangen sind, scheint die ganze Mannschaft einen Kalender gezückt und sich die nächste Partie gegen Dallas dick und fett angestrichen zu haben. Anders ist die fast schon respektlose Art und Weise, mit der Detroit die Cowboys abwatschten, nicht zu erklären.
Zur Erinnerung: Nachdem sich die Lions in der Vorsaison gegen Dallas auf 19:20 zurückgekämpft hatten, versuchte das Team von Dan Campbell mit 23 Sekunden auf der Uhr eine 2-Point-Conversion. Jared Goff warf den Ball zu Offensive Tackle Taylor Decker, das Spiel schien gewonnen. Schiedsrichter Brad Allen allerdings war der Meinung, Decker hätte sich nicht als Eligible Receiver gemeldet, obwohl vor dem Spielzug klar zu sehen war, dass Decker mit den Schiedsrichtern gesprochen hatte. Die Lions hatten, um Verwirrung zu stiften, auch Offensive Lineman Dan Skipper zu den Schiedsrichtern geschickt, laut eigener Aussage hatte er sich aber nicht als eligible angemeldet. Es ist wahrscheinlicher, dass das Schiedsrichtergespann in der Hektik des Spiels Decker und Skipper verwechselte – und es nicht einsah, seinen Fehler einzugestehen. Die NFL schien das ähnlich zu sehen und strich Allen und sein Team aus den Playoffs.
Die Rache der Löwen
Die Lions jedenfalls schworen auf Rache. Mit keinem Millimeter wurde am Sonntag der Fuß vom Gaspedal genommen, stattdessen zeigte Offensive Coordinator Ben Johnson, welche Kunststücke in seiner Trickkiste stecken. Der Flea Flicker auf Tight End Sam Laporta war so schön, dass auch Tom Brady als Kommentator seine Begeisterung herausschrie. Als die Lions bereits mit mehr als 30 Punkten führten, durfte sich jeder einmal an einem Touchdown versuchen. Besonders die beiden Spieler im Mittelpunkt der Kontroverse im Dezember standen dabei im Zentrum. Erst versuchte Goff einen Wurf in die Endzone auf Taylor Decker, der nur knapp nicht gelang, dann gab Dan Skipper den Wide Receiver. Dass zwischendurch noch ein Touchdown mithilfe eines Hook-and-ladder-Spielzugs auf Offensive Tackle Penei Sewell nur durch eine Flagge verhindert wurde, ist da schon fast nebensächlich.
Auch wenn im Nachhinein manche Experten warnten, dass Johnson in einem schon entschiedenen Spiel nicht sein ganzes Pulver verschießen sollte, wurde mit der gnadenlosen Spielart vor allem eins ersichtlich: Die Lions lassen sich nicht gerne anschmieren. Es war zudem der erste Sieg der Lions gegen die Cowboys seit 2013. Johnson war die Schadenfreude an der Seitenlinie anzusehen, genauso wie die tatsächliche Unzufriedenheit, als etwa Sewells Touchdown zurückgenommen wurde. Wäre es nach ihm gegangen, hätten die Lions wohl 60 Punkte und aufwärts erzielt. Der Offensive Coordinator der Lions ist seit 2022 an der Seite von Dan Campbell und hat die Offense der Lions nach den miserablen Matt-Patricia-Jahren zu dem komplettesten Angriff der Liga geformt. Ein erfolgreicher Trickwurf pro Partie ist mittlerweile fast schon Standard, kein anderes Team der Liga ist so kreativ und unberechenbar. Dass Johnson seit zwei Jahren der wahrscheinlich begehrteste Kandidat für einen Head-Coaching-Job ist, hat ihn bisher noch nicht von den Lions weglocken können. Ewig wird er aber nicht in Detroit bleiben.
Cowboys als schlechte Verlierer
Die Cowboys währenddessen zeigten nach dem Spiel, dass sie keine guten Verlierer sind. Der Twitter Account des AT&T-Stadiums postete ein Bild der Zuschauerzahl auf dem Jumbotron, bei dem der Spielstand unscharf gestellt wurde, worüber sich prompt die Lions lustig machten. Cornerback Jourdan Lewis, der laut Amon Ra St. Brown in vergangenen Spielen durch extremen Trash Talk auffiel, schickte dem deutsch-amerikanischen Star-Receiver nach dem Spiel eine Nachricht auf Instagram: "You a bi****“ – was St. Brown natürlich prompt öffentlich teilte. Cowboys-Besitzer Jerry Jones ging nach der Blamage an seinem Geburtstag so weit, während eines Radiointerviews den Moderatoren nach kritischen Fragen mit Kündigung zu drohen. Die gesamte Organisation der Cowboys umgibt eine Hülle der fehlenden Souveränität, Verunsicherung und schlechten Laune und steht damit im genauen Gegensatz zu Detroit.
#Lions WR Amon-Ra St. Brown and #Cowboys CB Jourdan Lewis are still not over their beef. pic.twitter.com/c5ZBTiIwPv
— Ari Meirov (@MySportsUpdate) October 14, 2024
Fakt ist: Die Lions machen richtig Spaß. Ihre überragende Offensive und bisweilen etwas wackelige Defensive sind immer für ein High-scoring-Game gut, der Zuschauer kommt stets auf seine Kosten. Selbst Tom Brady sagt im US-TV, dass er gerne für diese Offensive spielen würde. Vor vier Jahren stand Detroit am Abgrund – jetzt sind sie einer der heißesten Anwärter auf den Super Bowl. Der Rebuild wie aus dem Bilderbuch legt den Fokus auch auf eine gesunde Teamkultur, die durch einen charismatischen Head Coach getragen wird. Nach dem Spiel gegen die Cowboys veröffentlichen die Lions wie üblich einen Einblick in die Kabine und Campbells Ansprache an sein Team. Der hat noch ein schlechtes Gewissen, weil er Goff nach dessen perfektem Spiel gegen die Seahawks nicht mit einer teaminternen Auszeichnung belohnt hat, jetzt übergibt er Goff den Gameball als offensiver Spieler des Spiels. Goff, Kapitän der Lions, gibt ihn dem gerührten Campbell zurück mit den Worten, dass der Trainer der Grundstein der Mannschaft sei.
"Our Head Coach is our rock." pic.twitter.com/TfaPHtgQa3
— Detroit Lions (@Lions) October 14, 2024
Eigentlich könnte alles perfekt sein, diese Woche folgt mit den Minnesota Vikings der erste richtige Härtetest – wäre da nur nicht der lange Ausfall von Aidan Hutchinson. Den besten Verteidiger einer ohnehin schwächeren Defensive zu ersetzen, ist eine riesige Herausforderung. Ob mit Trades oder vereinsinternen Leistungssteigerungen – wenn es ein Team allein durch positive Energie schaffen kann, dann wohl die Lions.