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NFL - National Football League

Handfeste Krisenstimmung bei den Cincinnati Bengals

Joe Burrow und seine Bengals blicken derzeit ziemlich zerknirscht drein. Credit: Imago Images / USA TODAY Network / Joseph Maiorana

Mit Joe Burrow und einem der besten Receiving Corps der NFL hegte man in Cincinnati große Hoffnungen vor dieser Saison. Ein peinlicher Saisonstart dämoft diese aber nun gewaltig und schürt gleichzeitig noch die reale Angst vor einer echten Identitätskrise!

Wenn im Leben etwas schief läuft, dann denkt man nicht selten, dass es kaum schlimmer kommen kann. In Wirklichkeit ist das aber natürlich Quatsch und aus einer verblümt privilegierten Denkweise heraus gesehen. Letztendlich sehnt man sich schneller als man denkt aber trotzdem in Zeiten zurück, in denen zwar einiges schief lief, aber eben nur ein bisschen schief. Man denke an eine große Geburtstagsfeier, bei welcher der Catering Service den Lachs auf den Schnittchen vergessen hat, obwohl man ihn doch bei allen Gästen schon wochenlang als norwegisches Premium-Produkt angepriesen hatte. Dumm gelaufen, klar, aber es geht noch schlimmer. Das weiß man spätestens, wenn der ungeliebte Onkel vollends angeheitert vom Fußballspiel zur Feier kommt, grölend ins Büffet stolpert und den Tisch samt Hauptspeisen zum Einsturz bringt. Da bleibt dann nur noch der Pizza-Service und eben die Erkenntnis, schlimmer geht es immer.

Die Cincinnati Bengals dachten sicherlich, dass sie in ihren diversen Vertragsquerelen unter anderem mit Tee Higgins und zuletzt mit Ja’Marr Chase schon den Tiefpunkt der eigenen Seelenlage erreicht hätten. Ihr heiß geliebtes Core wackelte auf einmal, Stützpfeiler vergangener Erfolge waren auf einmal nicht mehr selbstverständlich. Doch dann ging die NFL Saison los und beide stehen wieder auf dem Feld. Es darf wieder an das Sportliche gedacht, die Hände nach dem Super Bowl ausgestreckt werden. Alles doch gar nicht so schlimm, was vorher war. Doch auf einmal klopft dann ein Onkel namens Realität an Tür und starrt den Bengals nun mit schalem Blick voll in die Augen. Mit null Siegen und drei Niederlagen, Unmengen an Frust und scheinbar keinen Antworten auf unzählige Fragen.

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Bengals erleben Desaster gegen Washington

Die jüngste Offenbarung leistete sich Cincinnati beim Monday Night Game gegen Washington, wo sich die Bengalkatzen nach allen Regeln der Kunst vom jungen Dompteur Jayden Daniels durch die Manege führen ließen. Offensiv fauchte man zwar ganz schön furchteinflößend, doch durch die mehr als zahnlose Defensive blieb man letztendlich doch sieglos vor dem brennenden Reifen sitzen. Vielleicht bleibt noch die Illusion, dass man dabei zumindest gut aussah, schließlich vollführte jeder Bengals-Receiver von Ja’Marr Chase bis zu Andrei Iosivas fleißig den vorher einstudierten Touchdown-Tanz, völlig ungeachtet der Tatsache, dass man immer noch gegen eine vermutlich bestenfalls Mittelklasse-Mannschaft hinten lag. Aber hey, es soll ja schließlich Spaß machen. Tut es natürlich jetzt mit einer 0-3-Bilanz nicht mehr wirklich.

Woran liegt es nur in Cincinnati? Vor der aktuellen NFL-Spielzeit waren sich viele Experten einig, dass mit den Bengals wieder zu rechnen sei, schließlich konnten sie in Ohio ja wieder auf ihren Superstar-Quarterback setzen. Natürlich ist Joe Burrow wieder da und er scheint soweit man alles beurteilen kann auch fit, was in zwei seiner vorherigen vier Spielzeiten nicht der Fall war. Die Offense performte gegen Washington voll und ganz, nicht umsonst sprechen viele Burrow auch von jeglicher Verantwortung frei. Tatsache ist aber auch, dass der Mega-Star in den vergangenen Monaten viel mit eigenen Problemen zu kämpfen hatte. Seine Reha hat ihm viel abverlangt, letztes Jahr war mit mehreren Blessuren und einem letztendlich verfrühten Saisonende extrem hart. Wieviel Impact konnte er als Leader auf seine Mannschaft haben? Wieviel konnte er von seiner überragenden Emotionalität vorleben, während er doch erstmal schwer darum kämpfen musste, selber wieder auf die Beine zu kommen?

Vom Super-Bowl-Contender zum NFL-Kellerkind?

Es ist eine Frage nach Nuancen, die letztendlich nur schwer zu beziffern ist. Viele Fans sehen auch vielmehr Head Coach Zac Taylor oder die Führungsetage in der Verantwortung. Fair enough, aber Taylors Track Record spricht ganz klar für ihn. Die letzten drei Jahre gewannen die Bengals 10, 12 und schließlich 9 Spiele. Letztes Jahr hielt Taylor Cincinnati auch ohne Burrow, der 5 Siege aus 10 Spielen holte, im Playoffrennen, gewann mit Backup-Quarterback Jake Browning noch 4 der letzten sieben Partien. Auch wenn es nicht mehr für die NFL Postseason reichte, es war ein herausragender Job von Taylor unter den Umständen. Man muss ihn natürlich schon fragen, warum sein Team traditionell schwach in die Saison startet, aber letztendlich hat er in Cincy Jahr für Jahr abgeliefert. All das nur Burrow zuzuschreiben wäre vor allem nach letzter Saison unfair und auch einfach fernab jeder Beweislage.

https://x.com/Bengals/status/1838406597288079458

Personell kann man sicherlich einige schwierige Entscheidungen ausmachen, die den Bengals zur Zeit voll auf die Füße fallen. Man ersetzte zum Beispiel den hünenhaften Nose Tackle D.J. Reader mit Rookies und einem 3-Technique-Tackle in Form von Sheldon Rankins, die aber allesamt nicht das Loch stopfen können, was Reader hinterließ. Und wenn eine Defensive Line in der Mitte pulverisiert wird hat das ganz schnell katastrophale Folgen für die gesamte Unit. Spieler begeben sich aus Verzweiflung in andere Positionen, schieben vor, ohne es zu müssen, überall herrscht Verunsicherung. Gerade den Bengals mit ihren leichtgewichtigen, beweglichen und eher durchschnittlichen Linebackern kann so etwas das Genick brechen. Dazu hat auch die neu formierte Secondary keinerlei Zugriff. Rückkehrer Vonn Bell scheint den Zenit überschritten zu haben, nimmt trotzdem dem vielversprechenden Jordan Battle Snaps weg. Star-Neuverpflichtung Geno Stone wirkt noch wie ein Fremdkörper, der ähnlich wie die gesamte Defense viel zu passiv agiert, um einen punktuellen Talentmangel wettzumachen.

Bengals-Defense bereitet große Sorgen

Defensive Coordinator Lou Anarumos Unit war 2021 noch einer der Schlüssel zum Super Bowl Run, seither genießt er einen geradezu besonderen Status. Wenn man aber ehrlich ist hat seine Verteidigung außerhalb des damaligen Hochs selten wirklich einen Unterschied gemacht. Es war zumeist eine solide, handfeste Unit, die zwar keine Spiele im Alleingang gewinnt, aber relativ stetig genug Plays macht um am Ende Burrow und seinem Angriff die Chance auf den Sieg zu ermöglichen. Die große Defensiv-Klinge war das abgesehen vom Pass Rush nie und daher darf man nun auch über die Fallhöhe nicht ganz so verwundert sein, zumal einige Unterschiedsspieler wie Reader oder auch Jessie Bates nicht mehr in Schwarz-Orange auflaufen. Personell sticht damit neben Trey Hendrickson nur wenig heraus aus dem defensiven Kader und wenn dann die Abstimmung aufgrund einiger Rookies und Neuverpflichtungen nicht stimmt, dann wird es schwierig.

Aber auch die Defense ist wohl keineswegs ganz alleine Schuld, schließlich ist es nur eine Woche her, da hatten sie Patrick Mahomes und die Chiefs in den Seilen. Da war es eben die Offense, die nicht den entscheidenden Punch landen konnte. Was einen eventuell zu der allgemeinen Psyche, der Identität der Mannschft bringt. Cincinnati hatte vor der Saison so viele Baustellen abseits des Feldes, dass da sicherlich ein klein wenig unter den Tisch fiel. Vielfach lebt man noch von den beiden großen Playoff-Auftritten 2021 und 2022, ohne aber dabei zu begreifen, dass sich dieser Level immer wieder neu verdient werden muss. Nicht mit „Griddys“ in der Endzone, nicht mit Spitzen gegen die gegnerische Mannschaft, die man als „College-Offense“ bezeichnet, um dann hinterher von ihr vorgeführt zu werden. Nicht mit bedeutungsschwangeren Reden oder medienwirksamen Auftritten. Nicht mit irgendetwas, das abseits des Feldes passiert, sondern mit ehrlicher Arbeit auf dem Platz. Eben jener, die Cincinnati seit Jahren unter Taylor, Burrow und Co ausgemacht hat. Vielleicht hat Burrow ja genau das mit Taylor besprochen, als er nach dem Washington-Debakel ziemlich zerknirscht in dessen Office stürmte. Es wäre zumindest ein Anfang.

Eben jenen braucht es auch, sonst ist die Party schneller vorbei, als es einem lieb ist. Böser Onkel hin oder her.

Über den/die Autor/in
Moritz Wollert
Moritz Wollert
Moritz Wollert schreibt für TOUCHDOWN24 u.a. über die NFL. Für das monatliche Print-Magazin schreibt er u.a. die NFL History Artikel

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