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NFL - National Football League

Die Herbert-Harbaugh-Symbiose

Los Angeles Chargers Quarterback Justin Herbert (10) im Gespräch mit Head Coach Jim Harbaugh - Foto Credit: IMAGO/Imagn Images

Manchmal müssen sich im Football einfach zwei bestimmte Personen finden. Bei diesen beiden scheint es zu passen: Justin Herbert und Jim Harbaugh. Herbert, das ewige Talent und Harbaugh, der charismatische Optimist, der überall Erfolg hat, wo er hingeht. Wie weit können sie die LA Chargers bringen?

In den Offseasons der letzten Jahre gab es immer wieder die gleiche Tradition unter den NFL-Fans: Die sogenannte Harbaugh-Watch. Wann entscheidet sich der so erfolgreiche College Coach von Michigan endlich, in die NFL zurückzukehren? Nachdem im Winter 2022 ein Wechsel zu den Minnesota Vikings so gut wie sicher schien und dann doch noch scheiterte, heuerte Harbaugh dieses Jahr bei den Los Angeles Chargers an. Einer der zentralen Gründe für diese Entscheidung: Justin Herbert. Der Rohdiamant unter den Quarterbacks der NFL, der trotzdem noch nicht ganz den Sprung zum Superstar-Status in der Liga erlangt hat, und dessen Erfolge nur aus Einzelleistungen bestanden. Schafft Harbaugh es endlich, das Team zu dem Erfolg zu coachen, den Herbert schon seit langem verdient hätte? 

Die bisherigen Chargers-Jahre von Justin Herbert lassen sich relativ schnell zusammenfassen: Individuelle Klasse trifft auf Chaos-Franchise. Als die Chargers Herbert 2020 an sechster Stelle draften, wird die Wahl eher kritisch betrachtet. Herbert wird zwar enormes Talent, ein guter Arm und herausragende Physis bescheinigt, seine Mentalität aber doch stärker in Frage gestellt. Seine langsame Leistungsentwicklung im College und die vereinzelten eklatanten Fehler in der Entscheidungsfindung galten vielen Scouts als zu hohe Risiken in der höchsten Spielklasse. Mit Joe Burrow, Tua Tagovailoa, Jalen Hurts und Jordan Love standen in diesem Jahrgang außerdem eine ganze Reihe an vielversprechenden Quarterbacks zur Auswahl. 

Herbert sollte seine Kritiker Lügen strafen: Nachdem er unter kuriosen Umständen – der Teamarzt punktierte durch eine Spritze aus Versehen die Lunge von Tyrod Taylor – bereits ab dem zweiten Saisonspiel als Starting Quarterback eingesetzt wurde, lieferte Herbert auf ganzer Linie ab: Etliche Rookie-Rekorde fielen, Herbert schloss die Saison mit über 4300 Passing Yards, 31 geworfenen Touchdowns und 10 Interceptions ab, Auszeichnungen als Rookie des Jahres folgten. Die Playoffs verpassten die Chargers mit nur sechs Siegen trotzdem. Ein ähnliches Bild zeigten die Folgesaisons: Herberts Leistungen waren stets herausragend, dennoch kommt er nur auf ein einziges Playoffspiel in der Wildcard Round, bei dem die Chargers eine 27-0 Führung gegen die Jacksonville Jaguars herschenkten. Eine schwache Defense, Offensive Line und ein wenig kreatives Spielsystem sorgten immer wieder für Rückschläge des Teams. 

Dazu kommt ein Front Office, das Herbert in fünf Saisons den bereits dritten Trainer an die Seite stellt. Herbert, der charakterlich als sehr zurückhaltend, geradezu schüchtern gilt, ist wohl das Gegenteil eines alles an sich reißenden Spielführers wie etwa Aaron Rodgers, was ihm nicht selten als Schwäche ausgelegt wird. In den frustrierenden Brandon-Staley-Jahren zeigte Herbert nie seine Unzufriedenheit öffentlich, er ist nicht der Typ für passiv-aggressive Pressekonferenzen oder Social Media Posts. Nicht im Traum wäre daran zu denken, dass Herbert teamintern eine Revolte gegen Trainer oder GM anzettelt. Ganz im Gegenteil braucht er eher einen Trainer, der für ihn öffentlich in die Bresche springt und die mediale Aufmerksamkeit auf sich zieht, sodass Herbert in Ruhe seine Leistungen abrufen kann. Mit Jim Harbaugh scheinen die Chargers den idealen Kandidaten für diese Aufgabe gefunden zu haben. 

Harbaugh ist einer dieser echten Persönlichkeiten des Sports, der nicht nur mit sportlichen Erfolgen, sondern auch einem bestechenden Charakter, Eloquenz und Witz der Öffentlichkeit zu gefallen weiß. Harbaugh ließ auf erfolgreiche Jahre in San Francisco eine von vielen Titeln gekrönte Zeit in Michigan folgen, und überall folgt ihm der gleiche Tenor: Jim Harbaugh ist jemand, der ein schwächelndes Team innerhalb kürzester Zeit in ein erfolgreiches umwandeln kann. Seine eigenen Leistungen stellt er dabei gern unter den Scheffel, stattdessen lobt er seine Spieler, ist ein großer Motivator und schafft eine leidenschaftliche und mitreißende Atmosphäre in der Kabine. 

In Los Angeles scheint er damit genau den richtigen Ton zu treffen. Nach zehn Spielen stehen die Chargers bei einer Bilanz von 7-3 und damit auf dem zweiten Platz in einer starken AFC West. Dass dabei die Siege fast ausschließlich gegen Teams mit negativen Bilanzen, nämlich den Raiders, Panthers, Saints, Browns, Titans, Bengals und Broncos gelangen, sei dabei erst einmal verziehen. Schließlich kann man bekanntlich nur gegen die Teams gewinnen, gegen die man spielt, und das tun die Chargers eindrucksvoll. Im Spiel gegen die Bengals zeigt Los Angeles zumindest schon einmal, dass es – zugegeben, trotz einiger Bemühungen – nicht mehr fahrlässig Spiele verliert, die es eigentlich gewinnen sollte. Die nächsten Wochen werden zeigen, ob die Chargers insgesamt stabiler sind und auch gegen stärkere Mannschaften bestehen können. 

Vor allem eines ist offensichtlich in Los Angeles: Die Vibes sind endlich wieder gut. Nach Jahren der verschenkten Siege und frustrierten Fans scheint das „Chargern“ der Vergangenheit anzugehören. Getragen wird das Team von einem Justin Herbert, der zwar gute Leistungen zeigt, aber nichts Übermenschliches schaffen muss, um erfolgreich zu sein. Schlagzeilen machen die Chargers grade eher durch Storys wie "Jim Harbaugh kauft sich die gleichen Schuhe wie Justin Herbert“ oder "Jim Harbaugh fängt Bälle im Warm-Up“, "Jim Harbaugh verteidigt Justin Herbert – Er würde sich nie beim Schiedsrichter beschweren“. Der Trainer ist der Star – und wird es mindestens noch eine Woche bleiben. Dann treffen die Chargers auf die Baltimore Ravens und damit auf Jims Bruder John in einem Monday-Night-Football-Duell, auf das sich auch der neutrale Zuschauer freuen kann. 

Über den/die Autor/in
Elena Hümmer
Elena Hümmer
Online-Redaktion
Elena gehört zu den touchdown24.de Beat Writern und schreibt hauptsächlich über die NFL.

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