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NFL - National Football League

Deshaun Watson und die Opferrolle, die keine ist

Deshaun Watson - Foto: USA TODAY Network

Die Dreistigkeit von Deshaun Watson lässt einen immer wieder staunend und wütend gleichzeitig zurück. Als er Ende Juli zum Start des Trainingscamps zu seiner Schulterverletzung und einer möglichen anderen Herangehensweise für die kommende Saison gefragt wird, nimmt Watson das zum Anlass, sich in eine unverschämte Opferrolle zu stellen: Er wolle "den Bullshit ausblenden“, dass sein Charakter vor zwei Jahren, als er zu den Browns wechselte, "in Frage gestellte worden wäre“ und dass man, falls man ihn jetzt "immer noch nicht mögen würde“, damit eben klarkommen müsse. Den "Lärm zu ignorieren“ sei sein primäres Ziel für die kommende Saison. Den "Lärm“ rund um Watson zu ignorieren, gestaltet sich zumindest als Verfolger der NFL seit mindestens drei Jahren allerdings als äußerst schwierig.

+++eine Kolumne von Elena Hümmer+++

Zur Erinnerung: Im März 2021 wurden erstmals Anschuldigungen der sexuellen Belästigung gegen Watson bekannt. Insgesamt 24 Frauen bezichtigen Watson der sexuellen Belästigung oder Nötigung im Rahmen von Massageterminen zwischen 2020 und 2021. Mit 20 dieser Frauen einigte sich Watson außergerichtlich, während er weiterhin jede Schuld von sich wies. Mit 30 Frauen schlossen zusätzlich auch die Houston Texans, Watsons ehemaliger Arbeitgeber, außergerichtliche Einigungen ab. Während das keine offiziellen Schuldsprüche sind, stellt sich doch die Frage, wieso Watson und die Texans Millionen von Dollar an die Frauen gezahlt haben. Die Besitzer der Texans, die McNair-Familie, bezeichnete die Zahlungen "nicht als Schuldeingeständnis, aber als klares Zeichen gegen jegliche Form von sexueller Gewalt.“ Über die Höhe der Zahlungen wurde beidseitiges Stillschweigen vereinbart.

Wen die Anschuldigungen in keiner Form stören zu schienen, waren die Cleveland Browns. Sie statteten Watson ohne mit der Wimper zu zucken mit einem 230 Millionen US-Dollar schweren, vollständig garantiertem Fünfjahresvertrag aus. Die entrüsteten Proteste von Journalisten und Fans blendeten die Browns aus. Die Hoffnung, dass Karma vielleicht doch irgendwo, irgendwie existiert, zeigt die Browns/Watson-Beziehung seit dem Wechsel. Nach elf Spielen Sperre und fünf Millionen Dollar an Strafzahlungen an die Liga folgte die statistisch schlechteste Saison in Watsons Karriere. Im November 2023 in Woche 10 zog sich Watson eine schwere Verletzung zu und musste ab Dezember dabei zusehen, wie sein Vertreter Joe Flacco überragende Spiele ablieferte und die Cleveland-Fans ihm überschwänglich zujubelten. Flacco funktionierte in der Browns-Offensive besser als Watson. Er funktioniert sogar so gut, dass er am Ende der Saison als Comeback Player oft he Year ausgezeichnet wurde.

Statt sich über diese Erfolge zu freuen, versuchen die Browns aktuell krampfhaft, das von allen Seiten kritisierte Experiment Watson durchzuboxen. Der offensive Koordinator wurde gefeuert, ein Teil der Offensive ausgetauscht. Es scheint, als ob alles auf 230-Millionen-Dollar-Mann Watson zugeschnitten wird, egal, ob dies in der Vergangenheit von Erfolg gekrönt war oder nicht. Dass die Browns über eine überragende Defensive verfügen, steht außer Frage. Dass nun auch endlich die Offensive unter Watson besser in Gang kommen soll, ist das Ziel der kommenden Saison für die Browns.

Watson scheint derzeit so tun zu wollen, als ob seine schwache sportliche Leistung seine einzige Verfehlung in der Vergangenheit gewesen wäre. Er beschwert sich in Interviews, dass sein Charakter in Frage gestellt wurde, viele Leuten wüssten gar nicht, wer und wie er wirklich sei. Die Menschen würden sich nur nach den Meinungen anderer richten, und er wäre schließlich auch nur ein Mensch, der von anderen gemocht werden will. Watson benimmt sich, als wäre er das Opfer einer Schmutzkampagne, und nicht von einer Vielzahl verschiedener Frauen der sexuellen Belästigung oder Nötigung beschuldigt worden. Als hätte er nicht immer mehr verschiedene Masseusen und Physiotherapeutinnen aussuchen müssen, weil viele von seinem Verhalten wussten. Als hätte er nicht Millionen an Schadenszahlungen gezahlt. Watson bestreitet bis heute, ein Täter zu sein. Er zeigte nicht im Ansatz die angemessene Reue oder Verständnis für Opfer, die in seinem Fall angebracht wären. Er sagte lediglich in einem einzigen Statement vor seiner ersten Preseason mit den Browns, dass er sich bei den Frauen, die er in diese Situation gebracht hätte, entschuldigen wolle, jetzt aber nach vorne schauen und beweisen wolle, dass er eine Person mit Charakter sei. Bei der nächsten Pressekonferenz nimmt Watson diesen ersten Versuch einer Entschuldigung dann schon wieder zurück.

Watson durchlief kein Programm zur Wiedergutmachung seiner Taten, er zeigte sich nie, nicht einmal nur zum Schein, bei gemeinnütziger Arbeit, wie es sonst bei Übeltätern der NFL üblich ist. Stattdessen stellt er sich knapp drei Jahre nach den ersten Anschuldigungen - und zwei Jahre nach den außergerichtlichen Einigungen - wie ein trotziges Kind vor Reporter und beschwert sich, dass die Fans immer noch böse zu ihm sind. Die traurige Wahrheit ist, dass der Support der Fans wahrscheinlich ohne größere Probleme kommen wird, falls sich der sportliche Erfolg bei Watson einstellt. Egal, ob er sich endlich dazu durchringen kann Rückgrat zu zeigen und sich ernsthaft zu entschuldigen, oder nicht.

Über den/die Autor/in
Elena Hümmer
Elena Hümmer
Online-Redaktion
Elena gehört zu den touchdown24.de Beat Writern und schreibt hauptsächlich über die NFL.

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