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NFL - National Football League

Der kostbare Fehltritt der New York Giants

"Was würde ich jetzt für einen Kicker geben?!" - Brian Daboll gegen die Washington Commanders. Credit: Imago Images / USA TODAY Network / Luke Johnson

Es gibt etliche Wege, wie man in der NFL Spiele verlieren kann. Eine Partie ohne Ersatzkicker zu beginnen ist dabei wohl eine der unwahrscheinlichsten, was die New York Giants aber am letzten Wochenende nicht davon abhielt, genau aus diesem Grund eine Bauchlandung hinzulegen. Echt jetzt?

Es gibt in der Sportwelt wohl wenige Institutionen, die professioneller aufgezogen sind als ein NFL-Team. Angefangen bei einer Training Facility, die so manche Fortune-500-Company neidisch machen würde, über minutiös getaktete Tagesabläufe bis hin zu einer Marketing-Armada, die über die eigene Außendarstellung mit fester Hand regiert – NFL-Teams überlassen noch weniger dem Zufall, als es neurotische Diktatoren beim alltäglichen Frühstück tun würden. Was an der Oberfläche eben einen meist höchst professionellen Eindruck macht, schwimmt darunter auch immer mal wieder aufgrund von ganz normalen menschlichen wie institutionellen Unzulänglichkeiten gegen die Wand. Eine davon ist schlichtweg zeitweilige Dummheit, wie die New York Giants und ihr Head Coach Brian Daboll unlängst auf beeindruckende Weise unter Beweis gestellt haben.

Was war passiert? Am Samstag vor dem Spiel der Giants gegen Washington tauchte Kicker Graham Gano mit einer Leistenblessur auf dem Injury Report auf, trotzdem entschied sich Daboll dagegen, Ersatzkicker Jude McAtamney für den Sonntag in den Kader zu berufen. Nach schmerzerfülltem Aufwärmen verletzte sich Gano direkt zu Spielbeginn auch noch am Oberschenkel und konnte fortan keine Kicks mehr machen. Beim ersten Extra-Punkt schickten die Giants noch Punter Jim Gilliam zum Schießen auf das Feld, er war wohl der designierte Plan B. Doch nach dessen missglücktem Kick verzichtete man fortan auf Field Goals oder Extrapunkte. Lieber vermasselte man mit der eigenen stolpernden Offense 4th-Down-Versuche oder Two-Point-Conversions, die schlussendlich bei der knappen 18:21-Pleite in der Hauptstadt den Unterschied ausmachten. In einem Spiel, dass ausgerechnet der gegnerische Kicker Austin Seibert mit sieben Field Goals zugunsten der Commanders entschied. Wenn es regnet, dann richtig.

New York Giants treten ordentlich am Ball vorbei

Man mag das Ganze als außerordentliches Pech bezeichnen, als einen Vorfall, der einmal in einhundert Jahren vorkommt, und anschließend einer imaginären höheren Gewalt zuzwinkern mit dem Hinweis, dass man beim nächsten Mal einen gut hat. Nur spricht man hier natürlich nicht von einer trinkfreudigen Tresentruppe, die am Sonntagmorgen ihren Torwart vermisst, weil er am Abend zuvor als letzter die Weihnachtsfeier mit Fass unter dem Arm verlassen hat. Vielmehr geht es um ein milliardenschweres NFL-Team, dass soweit man weiß am Samstag keine Sause abgehalten hat und eigentlich auch zu den traditionsreichsten Vorzeige-Franchises dieser Liga zählt. Ein Unternehmen, bei dem man eine derartige Fehlplanung weder verstehen noch entschuldigen kann.

Welcher Special-Teams-Player aus der hintersten Reihe war den so wichtig, dass kein Platz für einen weiteren Kicker war - ganz egal, ob NFL-Teams so gut wie nie zwei Kicker im Kader haben? Welcher drittreihige Offensive Lineman hat denn am Sonntag so einen Unterschied gemacht, dass man einen so essentiellen Teil wie den eigenen Kicker nicht mit einem Plan B versehen wollte? Wusste man nicht vorher, dass Gilliam kein adequater Ersatz ist? Es sind Fragen, die sich Brian Daboll wohl oder übel in den nächsten Tagen und Wochen anhören muss, denn es war nach eigenen Angaben sein „Call“, er ist für all das verantwortlich. Er dachte, dass Gano fit wäre, gab er hinterher etwas bedröppelt zum Protokoll. Denken ist nicht wissen, weiß man nun. Erst recht, weil dieser Vorfall den erdrutschartigen Niedergang des eigentlich weitestgehend respektierten und als verdammt solide eingeschätzten Übungsleiters bei den Giants nur noch beschleunigt.

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Irren ist auch in der NFL menschlich

So leicht ein Zeigefinger hier auch gehoben oder ausgestreckt werden kann so einfach ist die ganze Geschichte letztendlich dann doch zu erklären. Selbst in der hochsterilisierten und aufgepumpten NFL sind am Ende des Tages Menschen am Werk. Und Menschen machen Fehler. Sie draften Ryan Leaf oder Johnny Manziel, sie stellen Leute wie Adam Gase oder Freddie Kitchens ein, sie entscheiden sich für Pässe, wenn selbst eine Bäckereifachanstellte im nördlichsten Finnland sehen kann, dass man den Ball laufen müsste. Und abgesehen von dem regelmäßig breitgetretenen Machismo der ach so toughen NFL-Coaches ist das auch genau richtig so, denn wenn es diese Fauxpas nicht geben würde, ja wie interessant wäre die ganze Geschichte denn dann noch?

Die gewisse Situationskomik sieht aus der Sicht der Giants natürlich ein wenig anders aus. Hier muss man sich dann wohl doch fragen, ob man mit dem derzeitigen Regime noch auf dem richtigen Weg ist, dessen Leistungskurve schneller sinkt als ein Freistoß von CR7. Obendrein hat auch keiner der anderen Coaches es für richtig gehalten, Daboll auf sein enormes Risiko hinzuweisen. Dabei ist es ganz egal, dass viele andere hochbezahlte Coaches dieses Risiko schon eingegangen sind, denn sie stolperten nicht darüber. Daboll schon und damit ist er nun der Gelackmeierte. Und gleichzeitig ist er ein Beweis dafür, dass manchmal auch in der ganz großen NFL, dieser so hochprofessionellen, durchgeplanten und bierernsten Liga, nur mit Wasser gekickt… ähh gekocht wird.



Über den/die Autor/in
Moritz Wollert
Moritz Wollert
Moritz Wollert schreibt für TOUCHDOWN24 u.a. über die NFL. Für das monatliche Print-Magazin schreibt er u.a. die NFL History Artikel

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