Der kommende NFL Draft sollte für C.J. Stroud zum großen Happening werden, schließlich ist er lange einer der wenigen Anwärter auf den First Overall Pick. Jetzt aber sieht es so aus, als ob er zumindest in der Draftnacht ordentlich schwitzen muss. Und all das wegen einem einzigen verfluchten Test!
Der S2.
Klingt wie eine Art Wunderwaffe, welche der Westen in diesen Tagen in die Ukraine verschifft oder die irgendwo in geheimen Depots in Nordkorea gebunkert wird. Es könnte auch ein wundersames chemisches Element oder das Pendant des Siebengebirges zum berühmten-berüchtigten Berg an der Grenze Pakistans und Chinas sein. Tatsächlich ist aber die Rede von einem kognitiven Test, von welchem bis vor einigen Tagen 99,73 Prozent der NFL-Fan-Gemeinde noch nie etwas gehört haben und für welchen nun 495 Liga-Berichterstatter zu Experten mutieren. Was genau für einen Mann zum Problem werden könnte – C.J. Stroud.
"Alarmstufe Rot" bei NFL-Prospect C.J. Stroud?
Die Geschichte des Top Prospects bekam vor gut einer Woche einen Knick, als er wie durch ein Wunder auf einigen Draft Boards zu purzeln begann. Dabei galt er eigentlich lange als einer der zwei heißesten Kandidaten auf den First Overall Pick, mit welchem sich die Carolina Panthers aber nun wohl eher Alabamas Bryce Young zuwenden. Ein Grund dafür könnte sein, dass eben jener bei besagtem S2-Test 98 Prozent abgeliefert hat und sein Positionskollege Stroud weit abgeschlagen hinter allen anderen Passgebern nur 18. Laut gängiger Scouting-Meinung müssten es aber eigentlich mindestens um die 80 sein, sonst wird das nichts mit der NFL-Signal-Caller-Serenade. Eine ungenannte Liga-Führungskraft sprach sogar davon, dass jetzt bei Stroud "Alarmstufe Rot" herrscht und man so jemanden nicht auswählen könne.
Mittlerweile wurden die Werte von einem S2-Experten bereits relativiert und ihre Bedeutung in Kontext gepackt. Trotzdem ist der Fall Strouds und seine längst in Gange gekommenen Dynamiken faszinierend. Ein Spieler wie er hat seit Jahren für die Ohio State Buckeyes mehr oder weniger abgeliefert, besitzt als zweifacher Heisman-Finalist vorzügliche körperliche Voraussetzungen und hat sich abseits des Feldes so gut wie nichts zu Schulden kommen lassen. In seinem letzten College-Spiel brillierte er im Peach Bowl gegen eine fulminante Defense des späteren National Champions Georgia, hatte überhaupt keine Probleme auch mal zu improvisieren und zementierte damit seine Ansprüche, als erster Spieler im anstehenden Draft genommen zu werden.
Beim NFL Draft wird jeder Stein umgedreht
Der S2-Test überprüft mit einem speziell dafür angefertigten Pad Reaktionsschnelligkeit und Antizipation, also Dinge, die für NFL-Quarterbacks alles andere als unwichtig sind. Ein wenig passt es bei dem hochtalentierten Youngster ins Bild, dass er hier nicht gerade mit fliegenden Fahnen abgeliefert hat, werfen ihm seine Kritiker doch schon länger vor, dass er im offensiven System der Buckeyes und mit einer Armada an künftigen NFL-Receivern um sich herum selten bis gar nicht improvisieren musste. Dass er – wie übrigens so viele Ohio State Quarterbacks vor ihm – ein Produkt seines Umfeldes ist und kein entscheidender Faktor dafür.
Nun bedeuten die Zeiten vom grummeligen Woody Hayes allerdings herzlich wenig für die individuelle Spielerevaluation von heute, so eine Floskel klingt aber trotzdem gut, wenn man sie raushaut. Mit jenem Vorurteil über die Elite-Football-Uni und ihre Quarterbacks ist es letztendlich wie mit etlichen anderen Dingen, die vor einem Draft so an die Oberfläche spülen. Vieles davon ist und bleibt letztendlich ein Herumstochern im Dunkeln von Menschen, die zwar ein ganzes Stück besser stochern können als alle anderen, letztendlich aber auch nicht die Zauberhand gen Lichtschalter bekommen. Es ist wie mit den Wetterexperten - ein angesehener Beruf, in welchem man aber regelmäßig falsch liegen kann, ohne dass einem ein Strick daraus gedreht wird. Ähnlich ist es mit NFL-Scouts, zumindest jenen, die das Ganze nicht als Angestellte eines Teams betreiben. Scouting wird immer ein vages Unterfangen bleiben, bei aller Optimierung vergangener Jahre oder der Vielzahl an professionellen Youtube-Experten, die per Fünf-Minuten-Zusammenschnitt die vermeintliche Wahrheit verkünden. Am Ende weiß es niemand ganz genau, egal wie oft er in der Vergangenheit richtig lag. Was einige zum Glück eben auch regelmäßiger tun als andere und sich damit von der breiten Masse Nichtssagender abheben.
Nervenaufreibende Tage für C.J. Stroud
Für C.J. Stroud ist das natürlich nur ein geringer Trost. Selbst wenn er nach den jüngsten Reports mit einem sportlich blauen Auge davonkommt, die Hysterie der letzten Tage dürfte für viel Aufregung hinter verschlossenen Türen sorgen. Der Fokus auf selbst kleinste Details verrät in diesem Zuge, von welch unglaublicher Wichtigkeit die Entscheidungen für die Teams der NFL in diesen Tagen sind. Wer Stroud zum Top Five Pick macht der haftet sein eigenes berufliches Schicksal an die Karriere dieses jungen Mannes und viele General Manager bekommen meist nur eine Chance, "ihren" Quarterback zu ziehen.
Da dreht man jeden Stein verständlicherweise lieber drei Mal um. Ganz so existenziell wie es nun klingen mag ist es am Ende des Tages dann aber vielleicht auch wieder nicht, zumindest nicht für die Jungs aus der obersten Etage. Als NFL-General-Manager verdient man schließlich nicht ganz so schlecht und dürfte selbst bei etwaigem Versagen schnell wieder eine Beschäftigung im Liga-Kosmos finden. C.J. Stroud kostet die ganze Geschichte vielleicht ein paar Millionen und ein paar Plätze im NFL Draft, ganz aus der ersten Runde dürfte er aber nicht fallen. Da haben es andere Prospects schon schwieriger, die irgendein Fehltritt in der High School oder ein paar wenige Gäste aus Teamreihen beim 21. Geburtstag schnell mal einen NFL-Vertrag kosten können.
Oder eben etwas eigentlich so banales wie ein Buchstabe und eine Zahl.