Basketball-Stars wie Anthony Davis schauen Aaron Rodgers und Co. auch mal gern zu. Credit: Imago Images / UPI Photo / Nuccio DiNuzzo

Der Auftakt zur Heim-EM wurde für Deutschlands Basketballer bisher zum rauschenden Fest. Mancher Gridiron-Aficionado mag dabei davon geträumt haben, dass so eine Art Event auch im American Football eine tolle Sache wäre. Aus unterschiedlichen Gründen ist es zwar nicht wirklich möglich, ein paar interessante Gedankenspiele darf man trotzdem einmal anstellen!

Ein emotionaler Abschied von einem deutschen Jahrhundertsportler, eine mit rund 18.000 Zuschauern bis zum Bersten gefüllte Halle und anschließend ein emotionaler Sieg über einen Turniertopfavoriten. Was am vergangenen Donnerstagabend in der Lanxess Arena zu Köln zu bewundern war kann man im Siegestaumel vielleicht sogar als ein kleines Sportmärchen bezeichnen, ganz sicher aber als rauschendes Fest unterm Hallendach. Für Freunde des eher eiförmigen Spielgeräts war es nur eben die falsche Sportart.

In dem Wissen, dass man durchaus mehreren Leibesertüchtigungen zugewandt sein und ein großes Fan-Herz ungeahnte Weiten entwickeln kann, kamen bei vielen ganz sicher keine exklusiven Gefühle in Form einer streng gezogenen Differenzierung vor. Gleichwohl konnte man sich als Football-Fan vielleicht in so mancher Auszeit einmal dabei ertappen, sich ein solches Großevent auch mal im uramerikanischen Fußball vorzustellen – erst recht, nachdem die deutschen Basketballer weitere Siege folgen ließen. Mit allem was dazu gehört: Landesweite Begeisterung, eine Nationalmannschaft als Identifikationsfaktor, Sportunterhaltung zur besten Sendezeit und einer Pressetribüne voll mit den vermeintlich großen Blättern im deutschsprachigen Raum. Wäre doch was, oder?

Deutschland liebt seine Sportevents

Es käme auf jeden Fall als etwas um die Ecke, was die Reihen der deutschen Sportbegeisterten unheimlich berühren würde, so es denn realisierbar wäre (wozu wir später noch kommen). Deutschland ist seit jeher ein Land, dass sich zwar alljährlich neben einem gewissen König Fußball nicht wirklich breitgefächert um viele Mannschaftssportarten scheren möchte, dafür sind die Deutschen aber auch ein Völkchen, dass punktuell wie kaum ein anderes eine Begeisterung für ein Event entwickeln kann. Denken wir an die großen Tage der Tour de France in den späten 1990er Jahren, da war es Pflicht, zu jeder Bergetappe auf dem Sofa mit zu fiebern. Gleiches galt für verschiedene Handball-Wettkämpfe, bei denen Millionen Anfeuerungsrufe für den Bundes-Heiner und seine Jungs durch deutsche Wohnzimmer hallten. Biathlon, Vierschanzentournee, Tennis zu Zeiten von Steffi und Boris – Deutschland liebt seine Sportevents, so wie viele andere Nationen natürlich auch, vielleicht aber auch ein kleines bisschen mehr.

Selbst wenn nicht, so ist es doch ein absoluter Traum, wenn man sich vorstellt, was ein derartiges Spektakel, wie es die deutschen Korbjäger zumindest in den ersten Turniertagen entfacht haben, für die Sportart American Football hierzulande bedeuten würde. Die TV-Präsenz, die Wirkung auf die Jugend, das finanzielle Potenzial für den Unterbau. Und dann noch… stimmt, wir schweifen ein wenig ab. Denn sind wir doch ehrlich, im American Football kann so etwas doch gar nicht funktionieren.

Da wären zum Beispiel eine ganze Reihe signifikanter Unterschiede zwischen Basketball und Football, die sowohl strukturelle, historische als auch gesellschaftliche Gründe haben. Basketball ist ebenfalls ein amerikanisches Spiel, hat aber mit seinen Flügeln den Erdball deutlich enger umarmt, als es Football mit seinen kräftigen Oberarmen je getan hat. Schon vor Jahrzehnten entwickelte sich in vielen Ländern eine innige Liebe zum Körbe werfen, was in Strukturen, Vereinen, Spielern und Spielbegeisterten mundete. Olympia ist ein monströser Faktor, welcher durch globale Kampagnen der NBA noch einmal verstärkt wurde und Basketball als globale Sportart gedeihen ließ.

American Football noch kein globales Spiel

American Football? Not so much… hauptsächlich und lange auf den amerikanischen Kontinent beschränkt, blieben andere Teile der Welt lieber beim Rugby oder dem anderen Fußball, die NFL scherte es wie auch den Rest des Erdballs nicht besonders. Verwerflich ist daran nichts, Auswirkungen hatte es allemal. Akzeptanz, Spielverständnis, öffentliche Gelder, Strukturen – alles muss heute jenseits der USA noch immer fast mit der puren Verzweiflung einer Hail Mary oder dem Bedacht eines Gameplans von Vince Lombardi groß gezogen werden. Football Cleats sind vielerorts noch Kinderschuhe, während im Basketball schon Treter mit der Schuhgröße von Shaquille O’Neal (sagenhafte 60!) durch die Gegend laufen.

Natürlich haben es die Korbjäger auch allgemein etwas einfacher. Man braucht nur einen Korb und einen Ball, schon kann sich ein junger Fan im Hinterhof oder vor der Garagenwand wie Michael Jordan fühlen. Football macht eigentlich erst mit ein paar mehr Leuten richtig Spaß, ohne passendes Spielgerät oder Organisation eignet es sich nicht direkt zum Freizeitvergnügen. Dann wären da noch die ganzen Regeln, die Pausen und welch andere Vorurteile regelmäßig über den Gridiron Game ausgeschüttet werden.

Es gibt allerdings auch einige markante Vorteile, welche American Football für den deutschen Football-Fan parat hält (wem erzähle ich das?!). Von den ganzen faszinierenden Facetten des Spiels einmal abgesehen, welche nach einer kleinen Einführung gerade strategisch Interessierte Anhänger zum Frohlocken bringt, genießt American Football hervorragende Möglichkeiten, was die ursprüngliche TV-Präsenz angeht. Wer Dirk Nowitzki in der NBA sehen wollte, musste nachts um Zwei aufstehen. Tom Brady und Aaron Rodgers schmeißen ihre Pässe meist Sonntag bei bester mitteleuropäischer Sendezeit. Touchdown Football!

Football wirft eine ganze Menge in die Waagschale

Den Extrapunkt macht das Spiel mit seiner lange gepflegten Fan-Kultur. Essen, Trinken, Tailgating, gemeinsame Watch-Parties und der strahlende Super Bowl verkaufen nicht nur das Spiel an sich, sondern eben auch ein Lebensgefühl, eines, das längst in Deutschland und weltweit immer mehr Menschen erreicht. Die Bedeutung eines jeden einzelnen Spiels ist ebenfalls im Football höher, nach und nach gibt es auch mehr internationale Identifikationsfiguren. In Deutschland muss man sich vor möglichen Gesichtern der Sportart in heimischen Gefilden auch nicht gerade grämen.

Da aber die Bedeutung der deutschen Nationalmannschaft bei allem Respekt vor ihren Erfolgen in keiner Weise mit der ihrer schlaksigeren Landsleute zu vergleichen ist rammt man trotz vieler toller Möglichkeiten im American Football bei der Idee eines deutschen Football-EM-oder-WM-Spektakels doch wieder vor eine Wand. In etwa so, wie ein Runningback, der in Vita Veas Arme läuft. Eigentlich ist es schade, denn das Deutschland Football begeistert ist, darüber gibt es keinen Zweifel. Die Ticketverkäufer vom diesjährigen Spiel in München können davon ein Lied singen, wenn auch vielleicht ein leicht verstimmtes.

Somit muss man sich wohl mit dem begnügen, was derzeit mit regulären NFL-Saisonspielen sowie den europäischen Ligen in Deutschland Realität ist. Eine Wirklichkeit, in der für die Sportart gesprochen noch eine ganze Menge Potenzial steckt, welches nicht vergeudet werden sollte. So schön ein Highlight-Event mit einer Nationalmannschaft auch wäre, bei dem man morgens beim Bäcker darüber schnacken kann, ob der Nebenmann beim gestrigen Spiel auch so mitgefiebert hat, so weit weg scheint es dann doch irgendwie.

Was nicht heißt, dass man nicht zwischendurch mal ein wenig träumen kann…

Über den/die Autor/in
Moritz Wollert
Moritz Wollert
Moritz Wollert schreibt für TOUCHDOWN24 u.a. über die NFL. Für das monatliche Print-Magazin schreibt er u.a. die NFL History Artikel

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