Aaron Rodgers hat mit den New York Jets Großes vor. Imago Images / USA Today Network / Bill Streicher

Das große Drama um Aaron Rodgers und den Fortbestand seiner NFL-Karriere schien mit seinem klaren Wunsch, für die New York Jets aufzulaufen, eigentlich vorbei. Irgendwie ist es das aber auch nicht und damit bekommt „Gang Green“ wohl einen Vorgeschmack auf den anstehenden Zirkus in der kommenden NFL-Saison!

Als großer Basketballfan und begeisterter Anhänger der New York Knicks seit dem Genuss eines Bravo-Sport-Artikels über Patrick Ewing kurz nach dem Mauerfall ist die Vorstellung von einem echten Zirkus innerhalb des „Big Apple“ für mich persönlich eigentlich stets präsent. Die Knickerbockers mussten nämlich wie auch viele andere NBA Teams traditionell früh in jeder Saison auf einen langen Auswärtstrip gehen, wenn zu jenem Zeitpunkt ihre Heimathalle von den berühmten Ringling Brothers okkupiert war. Dieser berühmt berüchtigte Zirkus verwandelte den heiligen Madison Square Garden für circa eine Woche lang in eine Bühne für Elefanten, Clowns und Akrobaten, was den hiesigen Basketball-Fan natürlich weniger begeisterte. Nach dem Niedergang der Gebrüder Ringling wird der nächste Zirkus in New York City auf Tiere oder Schausteller verzichten. Er braucht nur einen Mann, um die Augen der Massen auf sich zu bannen. Sein Name ist Aaron Rodgers.

Für eine Franchise wie die New York Jets, deren Fanbase langsam die rüstigen Männer ausgehen, die den großen Joe Namath tatsächlich haben spielen sehen, müsste der vierfache NFL-MVP eigentlich wie ein Geschenk des Himmels erscheinen. Einer der talentiertesten und zumindest individuell auch verdientesten Signal Caller aller Zeiten sagt, dass er für die "Gang Green" spielen möchte. Nicht als Scherz, nicht unter Zwang, nein, er will es tatsächlich. Es ist ohne Zweifel ein Gefühl, welches man in den Meadowlands so nicht kennt, wo man eigentlich daran gewöhnt ist, eher Brautjungfer denn schillernde Vermählte für Free Agents, Top Coaches oder Superstars zu sein. Aber jetzt kommt wohl tatsächlich Aaron Rodgers. Und so richtig Freude will dennoch nicht aufkommen.

Aaron Rodgers wandert abermals auf Brett Favres Spuren

Es mag an der fundamentalen Ansicht vieler liegen, dass man auf die Art und Weise, wie die Jets es gerade aus Verzweiflung tun, einfach keinen Super Bowl Anwärter aufbaut. Vor gut zehn Jahren scheiterte ein früheres grünes Regime schon einmal mit einem alternden Quarterback aus Green Bay namens Brett Favre, da werden natürlich Erinnerungen wach. Es war damals eine Verletzung Favres, die eine verheißungsvolle Spielzeit im NFL-Straßengraben landen ließ und hinterher blieb nur Mark Sanchez, der einen zumindest bis zu zwei AFC Championship Games mitnehmen konnte. Dann aber folgte Tristesse und man fand sich von Altlasten beschwert wieder einmal auf der großen Suche nach Joe Willie 2.0. Und eben ganz ohne Ring am Finger, was letztendlich das alles Entscheidende ist.

Genauso verhält es sich auch jetzt, wo das Team gefühlt seine malträtierte Seele an einen Teufel verkauft, der Offseason um Offseason auf der Schulter von Aaron Rodgers fragwürdige Anweisungen gibt. Der bei seinem Meister immer ein offenes Ohr für Anflüge von Selbstfokussierung, Egoismus oder dem Surfen auf der ganz eigenen Welle findet. Lange schon haben Rodgers‘ Spielchen vom Hinhalten einer ganzer Liga und kindischen Kleinkriegen mit der Medienbranche nicht nur seine eigenen Fans in Green Bay satt, eigentlich erntet er damit bei jedem nur noch ein genervtes Augenrollen ob der komplett verlorenen Bodenhaftung. Sogar jetzt, wo er die Katze dann ja doch nach reichlich Brimborium endlich mal aus dem Sack gelassen hat, ist seine Person trotzdem noch in einer Hängepartie gefangen, weil sich Jets und Packers noch nicht auf einen Trade geeinigt haben. Hier kann er diesmal natürlich weniger dafür, passen tut es trotzdem irgendwie. It’s never easy.

Aaron Rodgers verstärkt mittelmäßige Jets

Einfach wird es auch für Jets nicht, wenn ihr vermeintlicher Messias dann tatsächlich ihr Trikot tragen wird. Im Gegensatz zur dreiköpfigen Hydra bestehend aus Zach Wilson, Joe Flacco und Mike White ist Rodgers zweifellos ein Upgrade, was sich drei Mal am Tag und nochmal kurz vor dem Schlafen gehen gewaschen hat. Kugelsicher ist es aber letztendlich auch noch lange nicht. Man sieht dem Maestro seine 39 Jahre wie auch seine jahrelang gefeierte Sturheit eben auch immer öfter mal an, die ganz großen Spiele hat er schon lange nicht mehr gewonnen und der Glanz seiner MVP-Trophäen verblasst etwas neben der Tatsache, dass er trotz seiner endlosen Fähigkeiten "nur" einen Super Bowl in seiner illustren Karriere einheimsen konnte. Es mag wie Blasphemie aus den Mündern der New Yorker Fangemeinde klingen, dennoch ist es ein realer, melancholischer Schmerz, welcher von der Sehnsucht nach einer romantischeren Geschichte mit einem romantischeren Helden zeugt. Einem Helden mit Herz, ihrem eigenen Helden.

Sollte Rodgers es allerdings tatsächlich schaffen, seinen zweiten Super Bowl mit den Jets zu gewinnen, dann gäbe es wohl nur noch wenige Yoga-Studios in Manhattan, wo er noch für eine Session bezahlen müsste. Unsterblich wäre er, denn nicht nur historisch sondern auch sportlich hätte er dann ein absolutes Husarenstück vollbracht. Die Jets nennen ein gutes, junges Gerüst ihr Eigen, sind aber eigentlich keine Mannschaft, die nur einen Quarterback vom großen Wurf entfernt ist. Es fehlt in der Offensive Line, einige Spieler laborieren an Verletzungen, die Defense ist stark aber wohl auch nicht so stark. Rodgers wird natürlich viel Euphorie in der Mannschaft entfachen, er hat es jetzt schon getan. Er wird auch so manchen alten Weggefährten davon überzeugen, sich für ein oder zwei Jahre einer Titeljagd in New York anzuschließen und selbst bis in die letzte wehende Haarsträhne motiviert sein. Aber ob das reicht ist eben doch zu bezweifeln.

Ring frei für Aaron Rodgers und die New Yorker Presse

Was man dagegen wohl mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erwarten darf ist der über 17 Runden angesetzte Schwergewichtskampf zwischen der New Yorker Medienmeute und dem kalifornischen Freigeist, der den Football so unnachahmlich werfen kann. Rodgers ist bekanntlich kein großer Fan der schreibenden, talkenden und twitternden Zunft, in New York trifft er in dieser Hinsicht auf seinen persönlichen Endgegner. Viel vom Mythos der NYC Tabloids mag vor allem heute fabriziert sein, dennoch brennt das Kameralicht hier schon ein klein wenig heller als irgendwo sonst. Was für so manche spannende, interessante oder gar spektakuläre Anekdote sorgen dürfte. Nein, sorgen wird.

Und für all das brauchen keine Basketballmannschaften auf Reisen gehen, es müssen keine Elefanten geknechtet werden, kein Akrobat muss mehr saftig bei seiner Krankenversicherung draufzahlen. Nein, es braucht einfach nur einen Mann. Eine Legende wohlgemerkt, aber eben auch eine, die in New York bisher außer einem großen Zirkus noch nichts vollbracht hat. Noch nicht.

Über den/die Autor/in
Moritz Wollert
Moritz Wollert
Moritz Wollert schreibt für TOUCHDOWN24 u.a. über die NFL. Für das monatliche Print-Magazin schreibt er u.a. die NFL History Artikel

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